Das Auge der Ueberwelt
»Ich fürchte, du machst dir unnötig viel Mühe. Binnen kurzem wirst du mit kostbaren Kleidern ausgestattet werden, die deinem Rang angemessen sind. Die Schätze werden am einfachsten hier im Magazin verwahrt. Warum willst du dich mit dem Gewicht abschleppen oder die Möglichkeit eines Verlusts in Kauf nehmen?«
»Was du sagst, hat manches für sich«, erwiderte Cugel, »aber ich denke an die Errichtung eines Landhauses mit Blick auf den See und werde Mittel benötigen, um die Baukosten zu bezahlen.«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte der Hetman. »Die Arbeiten können kaum beginnen, bevor du die Gegend in Augenschein genommen und einen geeigneten Bauplatz ausgewählt hast.«
»Richtig«, sagte Cugel. »Ich sehe eine geschäftige Zeit vor mir. Aber nun zurück ins Wirtshaus! Meine Braut ist übertrieben sittsam, aber nun ertrage ich keine weitere Verzögerung mehr!«
Doch bei ihrer Rückkehr war Marlinka nicht auffindbar. »Zweifellos ist sie fortgegangen, um sich in verführerische Gewänder zu hüllen«, suggerierte der Hetman. »Hab Geduld, Freund, und laß uns noch einen trinken!«
Cugel preßte mißvergnügt die Lippen zusammen, und sein Verdruß nahm noch zu, als er entdeckte, daß auch der junge Jäger das Fest verlassen hatte.
Das Gelage nahm seinen Fortgang, und schließlich wurde Cugel berauscht in sein Zimmer hinaufgetragen.
Früh am Morgen klopfte der Hetman an die Tür und kam auf Cugels Zuruf herein. »Wir müssen jetzt den Wachtturm besuchen«, sagte er. »Mein eigener Sohn hat Vull diese letzte Nacht bewacht, weil unsere Tradition ständige Wachsamkeit verlangt.«
Übernächtig und verkatert kleidete Cugel sich an und folgte dem Hetman in die kühle Morgenluft hinaus. Sie gingen zum Wachtturm, und Cugel sah, daß eine Strickleiter die einzige Aufstiegsmöglichkeit war. Der Hetman erkletterte sie, und Cugel folgte ihm. Die Leiter schwankte und tanzte so, daß Cugel Anwandlungen von Übelkeit überstehen mußte. Schließlich erreichten sie die Beobachtungsplattform, und der ermüdete Sohn des Hetmans stieg hinunter. Der Raum des Wachmanns war weniger luxuriös eingerichtet als Cugel erwartet hatte und erschien ihm sogar spartanisch. Er wies den Hetman darauf hin, der feststellte, daß die Mängel unverzüglich behoben würden. »Sag einfach, was du brauchst, mein Freund, und du sollst es haben!«
»Also, ich möchte einen schweren Teppich für den Boden – grün und golden getönt wäre am passendsten. Ferner benötige ich eine elegantere und breitere Couch anstelle des schmutzigen Strohsacks, den ich dort liegen sehe, da meine Frau Marlinka einen großen Teil ihrer Zeit hier mit mir verbringen wird. Ferner eine Vitrine für Edelsteine und Wertsachen hier, einen Kleiderschrank dort und einen Vorratsschrank mit einer Kühlvorrichtung für Weinflaschen auf der anderen Seite. Und an dieser Stelle soll ein niedriger Rauchtisch mit einem Obstkorb und einem Kasten für Süßigkeiten aufgestellt werden.«
Der Hetman stimmte bereitwillig zu. »Es soll geschehen, wie du sagst. Aber nun müssen wir deine Pflichten besprechen, die kaum einer Erläuterung bedürfen: Du mußt nach Magnatz Ausschau halten.«
»Soviel ist mir klar, aber um mein Amt richtig zu verstehen, sollte ich wissen, worauf ich zu achten habe. Wenn ich ihn nicht erkenne, könnte Magnatz ungehindert durch die Dorfstraße gehen. Wie sieht er aus?«
Der Hetman schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann es nicht sagen; die Information ist im Lauf der Jahrtausende verlorengegangen. Die Legende berichtet nur, daß er von einem Zauberer getäuscht und überlistet wurde.« Der Hetman ging zu einem der Fenster. »Sieh her: dies ist ein optisches Gerät. Mittels eines kunstreichen Prinzips vergrößert es jede Gegend und jeden Gegenstand, auf den du es richtest. Von Zeit zu Zeit solltest du die Landmarken der Gegend beobachten. Dort drüben ist der Berg Temus; vor uns liegt der See von Vull, den wegen seiner Wirbel und Strudel niemand befahren kann. In jener Richtung ist der Paß von Padagar, über den ein Weg nach Osten in das Land Merce führt. Man kann gerade noch die aus Felsbrocken geschichtete Pyramide ausmachen, die Guzpah der Große errichten ließ, als er acht Armeen über den Paß führte, um Magnatz anzugreifen. Magnatz errichtete auch eine Steinpyramide – siehst du diesen großen Hügel im Norden? – über ihren zerschmetterten Körpern. Und dort ist die Scharte, die Magnatz durch die Berge brach, damit kühlende Luft ins Tal
Weitere Kostenlose Bücher