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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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denken gegeben, aber er entsann sich jetzt nicht mehr der Umstände. Als er davonritt, schob er die Frage von sich. Ja, dachte er bei sich, es mochte wohl etwas an der – wie hieß es noch gleich? – Kartomantie sein. Vielleicht mehr, vielleicht weniger als an Hellseherei, Chiromantie, fliegenden Untertassen, Telepathie, Gesundbeten, Leberbeschau, Religion, dem Unbewußten, der Religion, der Hohlwelt-Theorie, Astrologie, Relativität, dem Ungeheuer von Loch Ness, Spiritualismus, Reinkarnation und dem Glauben, daß die Erde von Wesen aus dem Weltraum besiedelt worden sei. Aber es war etwas daran, an all diesen Lehren und Theorien, für jeden etwas.
    Die Überlegung, was dieses Etwas war, half Alexander auf dem Weg zum Haus der Korotschenko wenigstens, alle Gedanken daran, was vor ihm lag, so weit wie möglich von sich zu schieben. Dies tat er nicht nur, weil es an sich unklug war, im Sattel eines trabenden Pferdes solchen Gedanken nachzuhängen; vorher schon hatte er gefunden, daß seine normalerweise angenehmen lüsternen Erwartungen mit dem Vorrücken der Stunden von einer gewissen Verdüsterung überschattet wurden, einer beinahe mißmutigen Neugierde, die man am besten unterdrückte. Ein Dressurakt, dachte er. Das war es. Das beschrieb die Erfahrung einer ausgesucht schweren Prüfung, die einem von jemand anderem aufgezwungen wurde. Nach der eskalierenden Ungezwungenheit der zurückliegenden Prüfungen zu urteilen, würde der heutige Dressurakt mit neuerlichen Erschwernissen aufwarten.
    Es dauerte einige Zeit, bis er feststellen konnte, woraus dieser Dressurakt bestand, noch länger als erwartet. Nach zehnminütiger Suche, in welche er scharfsinnig alle Geschirr- und Kleiderschränke einbezog, dazu die Verstecke unter den Betten und sogar eine nicht allzu große Truhe in der Ecke einer Rumpelkammer, folgerte er, daß das Haus leer sei. In diesem Stadium fiel ihm ein, daß auf dem Bretterzaun vor dem Haus keine männlichen Geschlechtsteile abgebildet gewesen waren; vielleicht hatte Frau Korotschenko ihr Schild abgenommen und war weitergezogen. Dann hörte er in der Stille ein Schwein quieken, genau wie letztes Mal, und beschloß, daß es nicht schaden könnte, wenn er sich auch dort vergewisserte, wo das Geräusch herkam.
    Außerhalb der Hintertür trieb sich eine Anzahl Schweine in einer von drei Seiten umzäunten Einfriedung herum, die außerdem Hühner, Enten, einen Ententeich, einen Misthaufen, einen Leiterwagen mit drei Rädern, einen Hundekarren mit einem Rad und einen großen Haufen Kartons enthielt, die nach dem nächtlichen Regenguß völlig durchweicht waren. Am anderen Ende stand eine große Scheune mit Stall, einem Ziegeldach und einer offenen Einfahrt in der Mitte. Alexander ging vorsichtig balancierend hinüber und schaute hinein.
    Seine Suche war beendet. Mutter und Tochter, nackt wie gewöhnlich, saßen nebeneinander auf einer Art Küchentisch in der Mitte der Tenne. Sobald sie seiner ansichtig wurden, kamen sie in Bewegung; die Mutter kroch in ihrer plumpen Art auf den Tisch, die Tochter sprang herunter. Er bemerkte ein Seil, das über einen Balken geworfen war und an einem Ende zu einer Schlinge geknotet war, und spekulierte, ob das Arrangement bedeuten könnte, daß er Frau Korotschenko während des Liebesakts erhängen sollte, oder vielleicht sie ihn. Im Näherkommen sah er, daß auch am anderen Seilende eine Schlinge war, und daß sie damit beschäftigt war, sich eine davon über die Schultern zu streifen und unter den Achseln um sich zu legen, eine Arbeit, die sie rechtzeitig beendete, um ihm eine hilfreiche Hand hinzustrecken. Der Tisch bewegte sich ein paar Zentimeter, als er hinaufstieg; er vermutete, daß er auf Laufrollen geschraubt war, was ihm sonderbar vorkam. Bald war die zweite Schlinge um ihn gelegt, und nicht lange danach hatte der befürchtete Dressurakt begonnen. Er dauerte an, als der Tisch unter ihren Füßen herausgezogen wurde und sie zusammen in der Luft baumelten, dauerte weiter an, wenngleich mit großer Anstrengung, als Fräulein Korotschenko, die einiges von den Körperkräften ihrer Mutter geerbt zu haben schien, sie in immer weiteren Bogen hin und her schwingen ließ. Bald sausten sie wie ein riesiges Pendel durch die ganze Breite der Scheune, kamen für einen Augenblick in beinahe horizontaler Stellung dicht unter den spinnwebverhangenen, staubigen Brettern des Scheunenbodens zum Stillstand und stürzten wieder in die Tiefe. Indem es seinen Stößen einen seitlichen

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