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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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unwahrscheinlich. Aber dieses Geplauder am Anfang …
    »Nun«, sagte er schließlich, »vielleicht darf ich es so ausdrücken. In diesem Bereich praktiziere ich Ritterlichkeit so weit wie möglich.«
    »Das reicht nicht sehr weit, wie?« sagte Tabidze mit einem Schmunzeln. Er stellte sein Glas weg, dann schweifte sein Blick ab, und er hob die Brauen. »Das bringt mich auf etwas … Mein Junge, ich kenne dich schon länger, als du dich erinnern kannst, seit ich ein schneidiger junger Hauptmann war, gerade zum Adjutanten des alten Oberst Khvylovy ernannt. Vielleicht erinnerst du dich an ihn. Ein sehr aufrechter alter Knabe mit vorstehenden Zähnen und der Angewohnheit, mit den Fingern zu schnippen, wenn er etwas erläuterte. Wie auch immer, ich will damit sagen, daß ich ein alter Freund bin, ein alter Freund von dir und deiner Familie. Du mußt wissen, wie hoch ich deinen Vater schätze. Und auch deine Mutter. Also vergiß einen Augenblick, daß ich dein kommandierender Offizier bin. Und noch etwas: es ist weder Vorwurf noch Mißbilligung darin, was ich sagen werde. Es ist nur ein Rat. Ein warnendes Wort von einem alten Freund. Kannst du das akzeptieren?«
    »Ja, Onkel Nick.« Alexander war nie in seinem Leben neugieriger gewesen.
    »Ach, wie viele Jahre sind seitdem vergangen! Es ist nicht gut, darüber nachzudenken. Nun, es wird nur eine Minute dauern. Man hat mir gesagt … – und wir brauchen keine Zeit mit der Frage zu vergeuden, wer es mir sagte – man hat mir gesagt, daß du dich in äußerst verrufene Gesellschaft begeben hast.«
    Der letztere Satz stimmte fast aufs Wort mit Alexanders Ahnung davon überein, was ihn im Laufe dieses Besuches erwarten würde; außerdem enthielt er eine sehr treffende Umschreibung des Tatbestandes. Alle sonstigen drückenden Vorahnungen lösten sich auf; der alte Dummkopf hatte seinen Stichel schon so lange in seinem Korsett erwürgt, daß er ganz verdattert war, wenn er sich zu erinnern versuchte, wozu er eigentlich da sein mochte. Und diese sich überall einmischende alte Vettel von seiner Frau hatte die Geschichte tatsächlich herumgetratscht, wie er damals schon halb befürchtet hatte. Selbst nach jahrelangen Versuchen war es ihm niemals wirklich geglückt, auf Befehl zu erröten, aber er war mit der Zeit in all den begleitenden Gesichts- und Körperbewegungen so gut geworden, daß eine Veränderung der Gesichtsfarbe geradezu ein Zugeständnis an unnötigem Purismus gewesen wäre. Er brachte jetzt eine vollendete Darbietung jener Verlegenheitssignale und murmelte etwas, was unhörbar sein sollte, nachdem er die Leugnung instinktiv als unglaubhaft und darum unproduktiv verworfen hatte. Die nächsten Worte bewiesen, wie gesund dieser Instinkt war.
    »In unserer Jugend verstoßen wir alle von Zeit zu Zeit gegen unser besseres Urteil. Ich bin noch nicht so tief im Alter versunken, daß ich mich nicht an eigene Dummheiten erinnern könnte. Das ist verständlich und verzeihlich; vielleicht ist es sogar notwendig. Aber das Beharren auf solchen Dummheiten ist es nicht. Den Kopf verlieren, sich hinreißen lassen, ist eine Sache; sich bewußt auf fehlgeleitetes Handeln einlassen und es vorsätzlich vorantreiben, ist etwas völlig anderes. Verstehst du mich so weit?«
    »Ja, natürlich.« Was für ein Mensch müßte es sein, der das nicht verstanden haben würde.
    »Früher oder später, weißt du, müssen wir umkehren, und zwar besser früher als später. Schließlich gibt es so etwas wie Umsicht und gesunden Menschenverstand. Du mußt das immense Gewicht dessen in Betracht ziehen, was als allgemein akzeptierte Norm der Umgangsformen und Lebensweisen gilt. Wirst du – ich bitte dich darum – wirst du dieses unheilvolle Abenteuer aufgeben? Bitte zwinge mich nicht dazu, auf Einzelheiten einzugehen.«
    Alexander ließ den Kopf hängen. »Weißt du, Onkel Nick«, sagte er in interessiertem Ton, »manchmal ist es komisch, wie die Dinge sich entwickeln.« Während er sprach, sagte er sich, daß er nächste Woche imstande sein würde, Frau Korotschenko am hellichten Tag mitten auf dem Marktplatz von Northampton zu vögeln, wenn ihm danach wäre und wenn sie es nicht zu eintönig finden würde. »Man weiß, daß man etwas tun sollte«, plapperte er gedankenlos weiter, »tatsächlich möchte man es tun, bringt es aber einfach nicht über sich. Mangel an Willenskraft oder Energie oder was. Und dann plötzlich, aus heiterem Himmel, wenn man meint, es wird nie passieren, ergibt sich etwas und

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