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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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seines Vaters, daß er sich familiär und ausführlich zu allem äußerte, normalerweise aber verfolgte er dabei zielbewußt einen Punkt zur Zeit. Dieses richtungslose Geplauder paßte nicht ins Bild; mittlerweile hatte er sich zusammenhanglosen Erinnerungen zugewandt. Ebenso ungewöhnlich war, daß er seinem Besucher noch nicht in die Augen gesehen hatte.
    Sie machten es sich in zwei Kunstledersesseln bequem (wenigstens körperlich), die einander vor dem leeren Kamin gegenüber standen. In Alexanders Reichweite stand ein runder kleiner Tisch, der mit Tee, Whisky, Haferkuchen, Schokoladen und Zigaretten beladen war. Tabidze nippte von einem Glas Weißwein.
    »Nimm von der Schokolade, Alexander – sie paßt auch gut zum Whisky.«
    »Nein, vielen Dank.«
    »Dann nimm eine Zigarette!«
    »Das werde ich, danke.«
    »Dann laß uns gleich zur Sache kommen«, fuhr Tabidze fort. Sein Tonfall drückte mehr Zögern aus als seine Worte. »Ich habe später noch zu tun, und dir wird es nicht anders ergehen. Zuallererst: dies hat nichts mit deinem Kriegsgerichtsverfahren zu tun, also können wir das von Anfang an beiseite lassen. Aber ich will dir sagen, daß die Verhandlung für Dienstag angesetzt ist und, im Vertrauen, daß die Militärrichter geneigt sind, die Angelegenheit nachsichtig zu beurteilen, wenigstens in deinem Fall als dem leichtesten. Du wirst wahrscheinlich mit einem ernsten Verweis und einer befristeten Beförderungssperre davonkommen.«
    Alexander sagte nichts, weil er sich nichts dabei dachte, daß das Urteil schon vor dem Beginn der Verhandlung bestimmt wurde. Die Mißstimmung und innere Unruhe, die seit dem Erwachen auf ihm gelastet, hob sich ein wenig. Das Kriegsgerichtsverfahren würde niemals stattfinden, aber es war angenehm, in Schutz genommen zu werden, selbst in einer so unwichtigen Sache. Er murmelte etwas und schaute angemessen bescheiden, dankbar und so weiter drein. Dann machte er eine besorgte Miene und fragte, nur weil die Situation es zu verlangen schien:
    »Wie steht es mit den anderen?«
    »Da wird es weniger Nachsicht geben. Aber auch keine unnötige Härte.«
    Er hatte gerade angefangen, erleichtert auszusehen, als Tabidze ihn mit einer ebenso unerwarteten wie offensiven Frage gründlich aus der Fassung brachte.
    »Was ist an dem Abend wirklich passiert?«
    (Sie war offensiv, weil sie als selbstverständlich voraussetzte, daß er vorher gelogen hatte.) Aber schon bald fing er sich wieder, wozu die Überlegung hilfreich war, daß in ein paar Tagen nichts von alledem eine Rolle spielen würde. Mit äußerster Ernsthaftigkeit sagte er:
    »Ich war überhaupt nicht dabei. Nach meiner ersten Erfahrung mit diesem Spiel hielt ich mich von der Sache fern. Ich wollte nichts damit zu schaffen haben. Aber es stimmt, daß es für Leo ein bevorzugter Zeitvertreib war. Er überredete die anderen dazu. Er muß verrückt gewesen sein.«
    »Er war eine Spielernatur. Und du bist natürlich keine; so etwas paßt nicht zu einem ehrgeizigen jungen Offizier. Was mich ein wenig verwundert. Ich kann nicht verstehen, warum du nicht hingegangen bist und deinem Schwadronschef Bericht erstattet hast. Sicherlich muß es dir etwas … auferlegt haben.«
    Tabidzes Benehmen verriet eine gewisse Entspannung, vielleicht, weil er das Dienstliche zurückgestellt hatte, es sei denn, diese Diskussion über Motive war dienstlich. Jedenfalls sah er Alexander jetzt in die Augen.
    »Aber ich hatte mein Ehrenwort gegeben«, sagte Alexander mit einem Hauch von heiliger Einfalt. »Sie weigerten sich, mir irgend etwas über das Spiel zu verraten, bevor ich es ihnen geben würde.«
    »Aber dein Eid hat Vorrang vor allen derartigen Verpflichtungen.«
    »Darauf wies auch Major Yakir hin. Ich will mich nicht rechtfertigen; ich will nur meinen Grund angeben.«
    »Also legst du dich auch auf die Ritterlichkeit. Du machst dir das Leben wirklich nicht leicht, wie? Ich meine, wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, daß ein pflichtbewußter junger Offizier ständig zu Verhaltensweisen gezwungen ist, die ein ritterlicher und kameradschaftlicher Mann unerträglich finden würde. Anders herum gilt natürlich das gleiche. Sag mir, praktizierst du Ritterlichkeit auch in deinem Umgang mit Frauen?«
    Bevor er antwortete, drückte Alexander seine Zigarette in einem silbernen Aschenbecher aus, der überall dort, wo die Versilberung nicht abgewetzt oder korrodiert, blitzblank poliert war. War dies alles ein ausgeklügelter Spott? Es schien ihm

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