Das Auge des Basilisken
Späße macht.«
Die Antwort darauf hatte er bis zur Vollkommenheit eingeübt, bis in die letzten Feinheiten der Gestik und der Mimik. Zuerst das Erschlaffen der Muskeln, um Erleichterung anzudeuten, dann ein Zusammenpressen der Lippen – momentaner Beschluß, nichts zu sagen, gefolgt von einem Blick zum Umschlag und wieder fort – ein Schwanken, bis zum Hängenlassen des Kopfes –, ein Anflug von Scham, schließlich die ungeschminkte Erklärung in einem Ton resignierter Ergebung. »Verkaufen.«
»An wen?«
»Ich weiß nicht. Natürlich weiß ich, wem ich sie liefern soll. Ich denke, der Käufer wird ein Feind von Direktor Vanag sein, nicht? Aber von denen gibt es eine Menge, also bringt uns das nicht viel weiter.«
»Aber warum? Du kannst doch nicht …«
Mehr Scham und Trotz hintereinander. »Geld.«
»Ich wollte gerade sagen, dir kann es doch nicht am Geld fehlen.«
»Und ob es mir am Geld fehlen kann!« sagte er mit großer, aber nicht allzu großer Bitterkeit. »Spiel du mal ein paar Abende Backgammon mit einem Einsatz von Tausend für den Punkt und mit einer Pechsträhne. Dann wirst du sehen, ob du Geld brauchst.«
»Wieviel Schulden hast du?«
»Beinahe sechs Millionen.« Er starrte ins Leere, schwer betroffen vom bloßen Gedanken an so viel Verschwendung.
»Das ist eine Menge Geld, selbst heutzutage. Aber sicherlich würde dein Vater dir …«
»Nein. Kann ich das jetzt haben?«
»Es ist ein Glücksfall für dich, daß dieser Mann gerade zur rechten Zeit daherkam, und noch dazu, als du dich mit mir anfreundetest.«
»Soll ich dir sagen, wann er das erste Mal zu mir kam? Das war 6 Wochen bevor ich von deiner Existenz erfuhr«, sagte er indigniert. »Der Glücksfall war, daß er in der Zwischenzeit keinen Verkäufer fand. Und was das Anfreunden betrifft – nun, ich will nicht sagen, es sei deine Idee und nicht meine gewesen, aber ich habe nicht den Anfang gemacht … Danke.« Während er den Umschlag öffnete, fuhr er fort: »Mußtest du viel auf dich nehmen, um die Liste zu bekommen?«
»Ja. Nun, ziemlich viel. Manches davon stieß mich ab.«
»Barmherziger Gott!«
Er zog ein Papier aus dem Umschlag und entfaltete es. Was er sah, ließ ihn unwillkürlich aufspringen.
»Gott im Himmel!«
»Was ist?«
»Wo ist das Telefon?«
»In der Diele. Was ist los?«
Er eilte hinaus zu dem Gerät, das abgesehen davon, daß es von minderwertiger Qualität war, bis ins Detail demjenigen glich, was hier vor einem halben Jahrhundert in Gebrauch gewesen war. Während er sprach, beobachtete Frau Korotschenko ihn mit wachsender Sorge und Empörung. Nach einem sehr kurzen Gespräch warf er den Hörer auf die Gabel und wandte sich zum Gehen. Sie vertrat ihm den Weg.
»Wohin gehst du?«
»Ich muß gehen. Etwas sehr Dringendes hat sich ergeben.«
»Ich wußte, daß du im Widerstand bist.«
»Unsinn. Nun, wenn du so gut sein willst …«
»Was ist mit meiner Bestrafung?«
»Ich fürchte, das wird bis zum nächsten Mal aufgeschoben werden müssen.«
Sie versetzte ihm einen Fausthieb, der ihn niedergeschlagen hätte, hätte ihr ganzes Gewicht richtig dahintergelegen. Auch so taumelte er zurück und gegen den Tisch, wo das Telefon stand. Dabei stieß er einen Krug von der anthropomorphen Art um, den er bei seinem letzten Besuch im Speisezimmer bemerkt hatte; er brach auf den Fliesen entzwei. Als er wieder auf sie zukam, erwartete sie ihn kampfbereit, die angewinkelten Arme zur Deckung hochgenommen. Er fluchte, täuschte sie mit einer Finte und rammte ihr das Knie in die Magengrube; sie krümmte sich und versuchte geräuschvoll, zu atmen; er drängte sich an ihr vorbei, wandte sich um, kalte Geistesabwesenheit im Blick, und versetzte ihr einen Tritt ins bloße Hinterteil, der sie mit dem Kopf voran hart genug gegen einen der Türrahmen warf, um ihr momentan die Besinnung zu rauben und sie bäuchlings auf das Schachbrettmuster der Bodenfliesen zu strecken. Ihre Tochter kam zur rechten Zeit aus dem Salon, um dies zu sehen, und schüttete sich wieder vor Lachen aus. Alexander warf die Haustür hinter sich zu.
Im schnellen Laufschritt eilte er zu der Stallung an der Straße nach Northampton, wo Polly war. Was hatte Latour-Ordschonikidse über Situationen von der soeben erlebten Art zu sagen gehabt?
Außer derjenigen, die der Tod bringt, gibt es in der Liebe keine wahre Trauer. Alle Trennungen von Liebenden sind von beiden gewollt, und dieser Wille war schon in dem Impuls gegenwärtig, der sie
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