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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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…«
    »Ach, du willst mit mir handeln?«
    »Ich würde niemals mit dir handeln. Dies alles ist so absurd. Du und ich, wir sollten auf der selben Seite stehen. Warum bist du nicht an mich herangetreten, warum versuchtest du nicht, mich für deine Sache zu gewinnen?«
    »Es lohnt sich nicht, dich dabei zu haben. Wie jetzt klar ist.«
    Das schien ungehört zu bleiben. »Es ist nicht zu spät. Laß uns sehen, ob wir nicht zusammengehen könnten. Es könnte sehr wertvoll für dich sein. Es gibt alle möglichen Arten von …«
    »Weißt du, zuerst war ich nicht sicher, ob ich es tun könnte, aber eine Kostprobe von deinem Stil wirkt Wunder. Der Zeitaufwand war nicht umsonst. Adieu, Herr Petrowsky.«
    Alexanders Blick nahm einen abwesenden Ausdruck an, als er die Pistole auf seinen Vater richtete. Es hatte seit dem gewaltigen Blitzschlag keine nahen Donnerschläge mehr gegeben, und bis auf ein fernes Grollen war alles still geworden. Petrowsky fiel auf die Knie, hob die zusammengelegten Hände und rief:
    »Du kannst es nicht tun! Deinen eigenen Vater! Der dir das Leben gab! Du mußt wahnsinnig sein! Du wirst dir diese Tat nie vergeben. Was wird es dir nützen? Sie werden dich dafür erschießen! Du kannst deinen Gesinnungsgenossen sagen, daß du mich nicht finden konntest!« Nun gingen Petrowsky seinerseits die Argumente aus, aber er gab nicht auf. »Denk an … denk an deine Mutter! Denk daran, wie sie darunter leiden würde! Einen Sohn zu haben, der ihren Mann kaltblütig ermordete! Du magst mich hassen, obwohl ich nicht verstehen kann, warum, ich habe immer mein Bestes für dich getan, aber sie in ihrer Güte und …«
    Plötzlich erinnerte Alexander sich, wie Leo sich in jener Nacht schreiend auf dem Fahnentuch im Lagerhaus gewunden hatte. Er hatte nicht die Absicht, seinem Vater Anlaß zu gleichen Qualen zu geben, aber die Erinnerung war so lebhaft und ablenkend, daß sein ausgestreckter Arm mit der Pistole vom Ziel abkam, als die Tür aufsprang und Lomow in der Öffnung erschien. Bevor Alexander sich umwenden und die Pistole auf ihn in Anschlag bringen konnte, schoß Lomow ihn durch die Schläfe – eine einzige Kugel. Er war sofort tot, obwohl die Aufschlagkraft des kleinkalibrigen Geschosses gering war und sein Körper einen langen Augenblick brauchte, um zusammenzubrechen und auf den Tigerfellteppich zu fallen, der von den fernen Ufern des Aralsees gekommen war.
    Lomow kam wachsam in den Raum, die Pistole auf Alexander gerichtet, bis er sich vergewissert hatte, daß er tot war. Dann begann er zu schluchzen.
    »Wer sind Sie?« sagte Petrowsky, als er schwankend auf die Beine gekommen war.
    »Er war mein Offizier«, brachte Lomow hervor.
    »Was tun Sie hier?«
    »Er führte uns. Er sagte uns … Vergeben Sie mir, Herr!«
    Petrowsky legte ihm den Arm um die Schultern. »Weinen Sie nicht, mein Junge«, sagte er freundlich. »Sie taten, was getan werden mußte. Sie haben die Ehre des Regiments gerettet. Oberst Tabidze wird stolz auf Sie sein. Sie sind ein ausgezeichneter Soldat, klar denkend und von rascher Entschlußkraft.«
    Aus weiter Ferne ertönte der tiefe Klang einer Glocke, aber Lomow war zu verwirrt, um davon Notiz zu nehmen. Er trocknete sich die Augen und schnupfte.
    Inzwischen waren andere hereingekommen, darunter der Butler Anatol, der Offiziersbursche Brevda, Nina, Tatjana, Ljubimow. Es gab viel aufgeregtes Gerede, Klagen und Jammern. Anatol sah völlig verblüfft aus, Brevda fassungslos. Nina zog sich allein in eine Ecke zurück. Tatjana kniete nieder und blickte in Alexanders Gesicht; jemand hatte ihm bereits die Augen zugedrückt, und die Wunde war nicht so schrecklich. Ljubimow sprach leise mit Lomow.
    Nach einer Weile zog Petrowsky seine Frau mit einem Blick schüchterner Bitte beiseite.
    »Was ist, Sergej?«
    »Sag nichts …« Er brach ab.
    »Was soll ich nicht sagen? Warum sollte es irgendeinen Unterschied machen, was ich jetzt sage, jetzt oder irgendein anderes Mal?«
    Als er nicht antwortete, ließ sie ihn stehen und ging zu Nina.
    Endlich begann es zu regnen.

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EINUNDZWANZIG
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    Direktor Vanag saß auf dem Beifahrersitz eines Geländewagens, der ungefähr dreißig Meter vor dichtem Wald auf einem Feld abgestellt war. Die Bäume waren meistenteils Eukalyptus, Pappeln, Douglasfichten und andere raschwüchsige Arten. Sein langjähriger Fahrer, ein besonnener Mann mit kurzgeschorenem grauen Haar, saß neben ihm am Lenkrad. Sie sprachen nicht. Der Fahrer stand seit elf Jahren in

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