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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Zeit um 1920, der seine Männer, die Schreibstube und die Kleiderkammer beherbergte, fragte Alexander den Unteroffizier seiner Schar, ob es etwas zu melden gebe. Es gab nichts; es gab nie etwas. Dann, nachdem er die Stute seinem Burschen überlassen hatte, ging er zum Hauptgebäude, unterrichtete seinen Schwadronschef von seiner Rückkehr zum Dienst und erkundigte sich, ob es besondere Befehle gebe. Es gab keine; es gab nie welche. Der Rest des Vormittags verging mit der Abnahme des Stubenappells, einem Besuch im Stall und auf der Pferdekoppel, mit dem Ausfüllen von Formularen für die Intendantur, mit Teetrinken und einem Schwatz mit dem Unteroffizier und einem der Gefreiten, und zuletzt mit etwas nicht Alltäglichem und doch Routinemäßigem, nämlich der monatlichen Inspektion der Waffenkammer. Begleitet von dem Unteroffizier, einem kräftigen Letten namens Ulmanis, ging er ein zweites Mal zum Hauptgebäude, ließ sich im Geschäftszimmer des Schwadronsschreibers einen vom Adjutanten unterzeichneten und datierten Inspektionsbefehl aushändigen und stieg zur verstärkten Kellertür hinunter. Hier waren ein Unteroffizier der Feldjäger und ein Posten zu beiden Seiten der Tür stationiert. Der Wachtposten richtete seine Maschinenpistole auf die Neuankömmlinge, während der Unteroffizier zuerst Alexanders Kennkarte und dann den Inspektionsbefehl prüfte. Auf sein Nicken hin ließ der Posten die Waffe sinken, Alexander und Ulmanis machten eine Kehrtwendung, und der Unteroffizier drückte eine Reihe numerierter Köpfe in einer Reihenfolge, die täglich geändert wurde. Die Tür rollte zurück. Die beiden Besucher benötigten zwanzig Minuten, um festzustellen, daß alles in den Ständern und Regalen der Waffenkammer war, wie es sein sollte und wie es immer war. Nach beendeter Inspektion folgte Alexander dem Dauerbefehl, indem er das gegengezeichnete Inspektionsblatt zum Schwadronsschreiber zurückbrachte.
    Um 14:30 Uhr ließ Unteroffizier Ulmanis die Schar antreten und machte Alexander Anwesenheitsmeldung. Weil das Regiment fast die Hälfte seines ausgebildeten Personals für Neuaufstellungen hatte abgeben müssen, erreichte die Schar mit zwanzig Mann gerade die Hälfte ihrer Sollstärke: einen Offizier, einen Unteroffizier, einen technischen Unteroffizier, vier Obergefreite, vier Gefreite und neun Soldaten, darunter Alexanders Burschen, der Schreibstubendienst hatte. Die Befehle zum Aufsitzen und Abmarsch wurden gegeben und befolgt. In ihren derben dunkelgrauen Interimsuniformen und dem stumpfgelben Koppelzeug bot die 8. Schar keinen eindrucksvollen Anblick, aber ein geübtes Auge hätte die entspannte Haltung der Reiter und den guten Zustand ihrer Pferde bemerkt. Ein solches Auge, oder sein Eigentümer, hätte auch die ungewöhnliche Zusammensetzung der kleinen Streitmacht bemerkt: mit Ausnahme des Fähnrichs und der beiden Unteroffiziere führte jeder Reiter ein Packpferd mit sich, in jedem Fall ein starkes walisisches Halbblut, speziell ausgebildet für das Tragen schwerer Lasten im unebenen Gelände. An diesem Tag entsprachen die Traglasten nicht ganz dem, was sie im Gefecht gewesen wären, aber sie waren von gleichem Gewicht und gleicher Verteilung. Brust- und Schwanzriemen hielten die Traglasten selbst im vollen Galopp genau an Ort und Stelle.
    Der Trupp zog im Schritt zum Haupttor hinaus und einige Kilometer die Straße und verschiedene Feldwege entlang; für die geplante Übung war unvertrautes Gelände erforderlich, das nicht von früheren Übungen her bekannt war. Schließlich erreichte Alexander, der vorausritt, einen Aussichtspunkt, gab mit erhobener Hand das Zeichen zum Halten und ließ die Unterführer zu sich kommen.
    »Sie sehen die Kirche dort?«
    »Jawohl, Herr Fähnrich.«
    »Gut. Vergessen Sie nicht, daß jeder, der bei Benutzung einer Straße angetroffen wird, ohne Umstände ins Protokoll kommt. Die Schar entwickelt sich in offener Reihe nach rechts und erwartet mein Signal. Vorwärts!«
    Kurze Zeit später hatte die Schar mit fünfundzwanzig Metern Abstand zwischen den einzelnen Reitern in langer Kette auf einem niedrigen Höhenzug Aufstellung genommen. Alexander, am äußersten rechten Flügel, stieß in die Trillerpfeife, und alles stürmte im Galopp den Hang hinunter. Die Packpferde folgten nicht den Reittieren, sondern hielten sich, wie sie es gelernt hatten, links neben ihnen auf gleicher Höhe, um ein besseres Gesichtsfeld zu haben. Man hätte denken können, daß ein Blick auf die Karte

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