Das Auge des Basilisken
sagtest du mir, es sei das erste Mal in mehr als einem Jahr, daß du in dem Teil von Northampton zu tun gehabt hättest.«
»Sagte ich das?«
»Das war später, natürlich. Nun, sicherlich siehst du es selbst? Ich meine, du mußt es zugeben, daß unsere Gefühle füreinander ganz außergewöhnlich sind?«
»O ja, ich kann mir nicht vorstellen, daß viele Leute so glücklich sind wie wir. Sicherlich gibt es niemanden irgendwo, der glücklicher wäre.«
»Siehst du, Kitty, es wäre offensichtlich absurd, wenn so etwas ein bloßer Zufall gewesen sein sollte, etwas, was geschehen kann oder auch nicht.«
»Ich verstehe, was du meinst, mein Lieber. Nun ja, es wäre ein Jammer, wenn es nicht geschehen wäre, nicht wahr?«
Er strich ihr das dichte Blondhaar aus der Stirn und umschloß ihr Gesicht mit beiden Händen. »Laß mich sagen, wie ich empfinde – wie du mich empfinden machst. Wenn ich bei dir bin, selbst wenn ich es nicht bin, aber so sehr ich an dich denke, daß es beinahe ist, als könnte ich dich sehen, dann fühle ich, wie das Blut mit einem neuen Leben mich durchströmt, daß ich von Kopf bis Fuß ein Prickeln verspüre und mir aller Dinge ringsum so sehr bewußt bin, daß es ist, als wäre ich vorher halb blind und taub und wie benommen gewesen, und ich scheine ganz nahe, das Geheimnis des Universums zu verstehen. Alles ist unglaublich groß und doch vollkommen einfach. Und dann«, fügte er hinzu, entschlossen, den nächsten Teil vorsichtig anzugehen, »wünsche ich mir, du wärst von Vanags Leuten festgenommen und entführt worden, so daß ich kommen und dich retten könnte.«
Enttäuschenderweise schien sie seinen Richtungswechsel nicht zu bemerken. »Ich wünschte, ich wüßte halb so viel über meine Gefühle wie du über die deinigen. Ich weiß nur, daß ich mich in jeder Weise wunderbar fühle, und das nur deinetwegen.«
Dies war dem so nahe, was er an ihrer Stelle gesagt hätte, daß er ihr tief in die Augen blickte; zu seiner Überraschung entdeckte er, daß er dazu nicht längere Zeit imstande war; sein Blick ging zu ihrem Mund, und der Gedanke – alle Gedanken – entglitten in köstliches Vergessen. Von dem, was folgte, war nicht sehr viel das Ergebnis einer Absicht. Das Geräusch der zufallenden Haustür rief ihnen das Bett ins Gedächtnis zurück, darin sie lagen, und Alexander richtete sich auf.
»Das ist Papa«, sagte Kitty. »Er kommt zwischen seinen Patientenbesuchen, manchmal für ein paar Minuten nach Hause.«
»Gut, ich möchte mit ihm reden.«
Dr. Joseph Wright, ein kleiner, blasser Mann mit ergrauendem braunen Haar und starker Brille, war einige Jahre zu jung, um ein echter Vorkrieg zu sein, aber da er im Laufe der Pazifizierung beide Eltern verloren hatte, zeigte er viel Ähnlichkeit mit einem. Daher erfüllte es ihn mit Erbitterung, daß seine jüngere Tochter derart offen und regelmäßig von einem russischen Offizier bestiegen wurde, noch dazu von einem, den er verabscheute und gegen den er eine persönliche Abneigung verspürte. Diese Gefühle behielt er jedoch so gut als möglich für sich; das Mädchen schien keine Einwände gegen den Stand der Dinge zu haben, und die damit verbundenen Vorteile in Gestalt einer gelegentlichen Flasche Cognac oder einigen Kilo Brennstoff waren sicherlich willkommen, vor allem aber war es (oder konnte sich jeden Tag so erweisen) wichtig, sich das Wohlwollen und die Protektion eines der Scheißer zu sichern – ein Begriff, der selbst unter den vielen gebräuchlich war, die keine ernsten Einwände gegen die Anwesenheit ihrer Herren hatten. Schließlich konnte auch das geringste Verständnis die wahrscheinlichen Resultate des Versuches ermessen, einem – und insbesondere diesem – russischen Offizier entgegenzutreten. Nach allen Erwägungen kam er immer wieder zu dem unausweichlichen Schluß, daß nichts dagegen zu machen sei.
Nachdem er sich angekleidet hatte, ging Alexander hinunter und betrat das Wohnzimmer, einen kühlen und ziemlich dunklen Raum mit Kriechpflanzen in Körben, Ständern und Konsolen, und mehr von den gleichen und anderen Arten in einem rückwärts anschließenden kleinen Wintergarten. Dort tropfte ein Wasserhahn langsam in einen wassergefüllten Topf oder eine Schüssel.
»Guten Morgen, Doktor – bitte, bemühen Sie sich nicht.« Er war sich der Abneigung des Engländers nicht bewußt, benahm sich in seiner Gegenwart aber stets mit einer instinktiven Vorsicht und Zurückhaltung.
Der Arzt antwortete höflich auf
Weitere Kostenlose Bücher