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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Trübsal zu einer etwas gezwungenen Munterkeit. Auf der Armlehne des Sofas neben ihm stand ein leeres Glas.
    »Guten Abend Viktor, alter Knabe, wie geht’s?«
    »Hallo – würdest du so gut sein und mir einen Wodka holen? Gegen Bezahlung, versteht sich. Der Major hat wegen meiner Getränkerechnung im letzten Monat ein Theater gemacht.«
    »Freundliche Worte und gute Ratschläge würden bei dir auf taube Ohren stoßen, nicht wahr?«
    »Völlig, fürchte ich.«
    »Dann werde ich mir die Mühe ersparen.« Alexander wandte sich zu dem Gefreiten, der Meßdienst tat. »Einen Wodka und ein Bier.« Heute war kein Anlaß, viel zu trinken. Als der Gefreite die Getränke brachte, signierte er den Bon, brachte dem anderen Offizier ein Glas mit Dill gewürztem Ochotnitscha und nahm einen durstigen Zug von seinem Bier. Dieses ähnelte nur sehr allgemein dem vormaligen Erzeugnis der Brauerei Northampton, das eine berühmte Spezialität gewesen war, unter dänischer Leitung nach einem dänischen Rezept gebraut und im ganzen damaligen Königreich beliebt. »Das macht 600 Pfund.«
    »Ich werde sie dir morgen geben; anscheinend habe ich mein Bargeld oben gelassen. Und es ist einfacher, wenn wir alles auf einmal regeln.«
    »Was? Ach so, du meinst, du möchtest noch einen.«
    »Einstweilen, ja.«
    »Ist das nur ein allgemeines Prinzip, oder ist etwas Ungewöhnliches passiert?«
    »Beides, um genau zu sein«, sagte Viktor und fiel in seine Schwermut zurück. »Alle Tage stinken, aber der heutige stank besonders.«
    »Ich dachte, auch das gelte für alle Tage.«
    »Dieses Schwein Rjumin – heute morgen sagte er mir, daß er um seine Versetzung einkommen würde, wenn ich mich nicht zusammenrisse, wie er sich ausdrückte. Ich hatte ihm mehr oder weniger freie Hand mit meiner Schar gelassen, weil ich dachte, das würde einem Mann in seiner Position gefallen. Schließlich ist er schon länger Unteroffizier als ich Offizier. Nun aber sagt er, die Schar sei die am schlechtesten berittene im Regiment, und das sei allein meine Schuld. Und bevor er fertig war, kam einer der Gefreiten herein, was Rjumin aber nicht daran hinderte, mir weiter die Leviten zu lesen.«
    »Das war sehr ungerecht von ihm.«
    »Es war alles sehr ungerecht von ihm. Lieber Gott, vielleicht auch nicht, vielleicht hatte er ganz recht. Ich kann es nicht erwarten, aus diesem abscheulichen Land wegzukommen.«
    »Machst du Witze? Es ist ein schönes Land. Brauchst bloß aus dem Fenster zu sehen.«
    »Alle sind erbärmlich.«
    »Unsinn, so kommst du dir im Augenblick selbst vor, das ist alles. Wenn du in der rechten Stimmung bist, wirst du sehen, daß dem Land überhaupt nichts fehlt.«
    »Alexander, nicht alles, was gesagt und getan wird, geschieht aus Stimmungen heraus. Unteroffiziere haben keine Stimmungen.«
    »Natürlich nicht; was, meinst du, macht sie zu Unteroffizieren? Bei uns ist es etwas anderes; Stimmungen sind auch nur eine Art, die Dinge zu sehen. Ich sehe, du bist schon wieder fertig. Willst du noch einen? Diesmal spendiere ich ihn. – Ach, Boris, wie immer kommst du genau im rechten Augenblick. Was kann ich dir zu trinken bringen?«
    Der Neuankömmling war dreißig Jahre alt, mit kurzgeschnittenem Haar und einem Gesicht, das wie kein zweites als der Charaktertyp des Ostslawen in einem illustrierten Band der Rassenkunde geeignet gewesen wäre. Die Achselstücke seiner Uniform, die in Schnitt und Material nicht an jene der zwei anderen heranreichte, zeigte einen Rhombus zwischen zwei Balken, denn er war der Intendanturoberleutnant der Schwadron. Er beantwortete Alexanders Frage mit einer tiefen, bedeckten Stimme. »Das ist sehr nett von dir, aber meinst du, daß du das tun solltest? Der Major mißbilligt das Freihalten.«
    »Ach, es macht ihm wirklich nichts, solange es nicht vor seiner Nase stattfindet. Komm schon!«
    »Na gut. Ich bitte um Entschuldigung, Alexander, natürlich meine ich vielen Dank. Ich trinke ein Bier.«
    »Zwei Bier, Gefreiter, und einen Ochotnitscha. Doppelt. – Du bist heute früh dran, nicht wahr, Boris?«
    »Kann sein, ja.«
    »Du solltest dir mehr Freizeit nehmen, wirklich. Ich habe es dir schon mal gesagt.«
    »Ich bin dankbar, daß du dich um mich sorgst, aber das ist nicht immer möglich, schon gar nicht jetzt, während Georg Urlaub hat.« Der Intendanturoberleutnant bezog sich auf seinen Stellvertreter.
    »Du hast recht, Bo, du kannst es nicht. Ich glaube, jeder andere, den ich kenne, würde sich eher einen guten Tag machen als du.

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