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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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uns rasch überkommt, damit zugleich anzeige, daß sie nicht von Dauer sein könne. Wird ein augenblicklicher, instinktiver Abscheu eher aufgegeben als eine begründete Antipathie?
    Die Mystiker sagen uns, die Liebe Gottes sei unendlich fremd, bisweilen grausam, beängstigend, selbst empörend … Wir dürfen nicht vergessen, daß Er es war, der uns lehrte, einander zu lieben.
    Wer behauptet, daß wir nicht mehr als eine Person zur Zeit lieben könnten, würde sicherlich nicht leugnen, daß wir zwei oder mehr Personen zugleich fürchten, bewundern, hassen oder zum Gegenstand unserer Fürsorge machen können. Ein volles Herz ist keine Speisekammer oder Bank.
    »Liebe ist ein Spiel mit (nur) einer Regel: daß der Umstand, ein Spiel zu sein, niemals in Wort oder Tat eingestanden werden darf, und so selten wie möglich in Gedanken«, sagte Archilochus, und die Menschen verhöhnten ihn seiner Weisheit wegen.
    Wahre Leidenschaft erfaßt uns stets überraschend, stößt uns sogar in Verwirrung. Engel treffen unerwartet ein; niemand war je verblüfft, einen Steuereintreiber zu sehen.
    Wer rückhaltlos zu lieben wünscht, frei von allen eigennützigen Gedanken und ohne Blick auf die Zukunft, kann hoffen, daß die Fee den Wunsch gewährt.
    Zu lieben ist wieder wie ein Kind werden und die Immunität eines Kindes genießen. Selbst Juristen anerkennen einen Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit.
     
    Diese und andere Maximen gingen Alexander durch den Kopf, einige sogar wortwörtlich, als er in dem schmalen Bett lag, Frau Korotschenko in den Armen. Seine Lage war glücklicherweise eine, die er relativ lange ohne Unbequemlichkeit aushalten konnte, ein seltener Zufall in einer solchen Situation. Sie mochte zu einem guten Teil seinen augenblicklichen Empfindungen zuzuschreiben sein, die Wohlbefinden und Liebenswürdigkeit in einem Einklang vereinten, der ihm neu, teilweise neu oder relativ neu schien. Er glaubte, daß er eine Art Ahnung von Frau Korotschenko gehabt hatte, als er vor ihrer ersten Begegnung zu Hause in der Eingangshalle gestanden hatte. Übernatürliche Ereignisse dieser Art waren oft mit bedeutsamen emotionalen Erfahrungen verbunden, wie Latour-Ordschonikidse bemerkt hatte (unter Geistern, nicht Liebe). Er war dankbar für die Gelegenheit, ihr Vergnügen zu bereiten oder sie zu befriedigen oder wenigstens zu tun, was sie von ihm gewollt hatte. Und er war ihr in einer anderen Weise dankbar: wie immer man eine gute Nummer definieren sollte (und nach einem halben Dutzend Jahren extensiver und verschiedenartiger Erfahrungen hatte er darüber noch immer keine Gewißheit gefunden), sie war eine. Plötzlich sah er sich in seinen Gedanken bei Kitty. Natürlich liebte er sie auch, aber nicht ganz im gleichen Sinne: mehr impulsiv, weniger verschiedenartig, weniger bemerkenswert. Es hatte mit ihrem unterschiedlichen Alter zu tun. Er wollte von der älteren Frau lernen und die jüngere lehren und damit seine Fähigkeiten zur Liebe in einer ganz und gar erlaubten Art erweitern: Latour-Ordschonikidse hatte darüber eine kluge Bemerkung gemacht, wenn Alexander sich auch nicht an den genauen Wortlaut erinnern konnte.
    Zeit verging. Er schlief ein. Als er aufwachte, war auch Frau Korotschenko wach und schaute ihn erwartungsvoll an.
    »Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte er.
    »Mein Mann«, sagte sie mit ironischer Betonung, »wird erst nach sechs Uhr kommen.«
    »Jedenfalls muß ich vorher auf und davon sein. Verstehe ich richtig, daß du ihn nicht so zärtlich liebst, wie es der Fall sein könnte?«
    »Ich hasse ihn, aber das weiß er nicht, dafür sorge ich. Ich würde alles tun, um ihn lächerlich zu machen, ihn zu demütigen.«
    »Wie zum Beispiel ihn glauben machen, du hättest mich wollen und ich wäre dir nicht gefällig gewesen?«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    »Nein, natürlich nicht. Warum haßt du ihn? Warum hast du ihn geheiratet?«
    »Ich heiratete ihn, weil ich dachte, er sei eine Art von Mann, und ich hasse ihn, weil ich entdeckte, daß er in Wirklichkeit eine andere Art von Mann ist.«
    »Welche Art ist das?«
    »Welche?«
    »Mir egal, welche du willst. Also gut, die Art von Mann, die er ist.«
    »Ein gewöhnlicher Mann.«
    »Ich verstehe«, sagte Alexander, der einsah, daß er nach der falschen Art von den beiden gefragt hatte und die Sache nicht weiter verfolgte, weil er nicht neugierig auf ihre Vorstellung von einem außergewöhnlichen Mann war. »Wie würdest du ihn gern lächerlich machen? In

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