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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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im Gras zu wälzen oder von einer Wand zu hängen. Ihr Körper war für Alexander so interessant, daß er anfangs ihre Gleichgültigkeit ignorieren konnte, aber nach einiger Zeit begann jenes Gefühl darunter zu leiden, was er seine Selbstachtung genannt haben würde. Sie nach ihrem Namen zu fragen, schien ihm ein guter Gedanke, um so mehr, als er ihn nie erfahren hatte.
    Sie antwortete wie ein Kind: »Sonja Korotschenko.«
    »Ich heiße Alexander«, sagte er aus Höflichkeit, denn er war überzeugt, daß sie ihn kenne.
    »Ach ja? Alexander wie?«
    »Mein Nachname ist genau der gleiche wie der meiner Eltern.«
    »Und was ist der?«
    »Petrowsky. Sie waren vorgestern deine Gastgeber.«
    »Ach, ich behalte niemals die Namen der Leute, zu denen mein Mann mich ausführt.«
    »Was geschieht, wenn du die Gastfreundschaft erwiderst?«
    »Das tun wir nicht, weil mein Mann zu geizig ist«, sagte sie wie jemand, der das Gebrechen eines Kranken erwähnt. »Wenn er anderen etwas zu trinken geben muß, lädt er sie in den Klub ein.« Im gleichen Atemzug fragte sie ihn: »Hast du schon viele Mädchen gehabt?«
    »Das kann man sagen. Aber keine von ihnen war so gut wie du es bist, Sonja.«
    »Magst du junge Mädchen?«
    »Nicht besonders«, sagte er, um nach kurzer Pause hinzuzufügen: »Sie sind so unreif, die meisten. Viel lieber ist mir eine …«
    »Wie alt war die Jüngste, die du gehabt hast?«
    »Dreizehn, glaube ich; ich habe ziemlich jung angefangen. Wie schön du bist. Du hast die schönste …«
    »Hast du schon mal zwei Mädchen auf einmal gehabt?«
    »Zwei Mädchen auf einmal … Ich verstehe, was du meinst. Nein, habe ich nicht. Eine Person ganz für sich zu haben, das ist, finde ich, worauf es wirklich ankommt, nicht wahr? Es sei denn, du …«
    »Würdest du es gern versuchen?«
    Dies alles schienen ihm völlig geziemende Fragen zu sein, aber er hatte nicht das geringste Verlangen, sich jetzt mit ihnen zu beschäftigen. Mit mehr Zartheit, als er empfand, sagte er: »Aber Liebling, was hat es dir zu sagen? Warum willst du es wissen?«
    »Ich bin sicher, daß es dir gefallen würde. Hast du es schon mal mit einem Mann gemacht? Ich wette, du hast.«
    »Nein, ich habe nicht – Männer ziehen mich nicht im mindesten an«, sagte Alexander wahrheitsgemäß und ärgerlich. Ein Teil des Ärgers war real und beruhte auf der Durchkreuzung seiner Gesprächswünsche, aber mehr davon war affektiert und beruhte auf seiner plötzlichen Erkenntnis, daß hier mehr und anderes als Mißvergnügen am Platze sei. Was sie vielleicht wollte – und bekommen sollte –, war eine große Schau theatralischer Mißbilligung und Ablehnung. Er packte sie bei den Schultern, blickte ihr mit zorniger Intensität ins Gesicht und fuhr mit unnatürlich tiefer Stimme fort: »Wie kannst du es wagen, so zu mir zu sprechen! Ich bin so freundlich und liebevoll zu dir, wie man nur sein kann, und das ist der Dank dafür – du stellst mir die intimsten Fragen, machst widerwärtige Anspielungen und unterstellst mir schließlich widernatürliche Praktiken mit anderen Männern! Und dies, nachdem ich mich herabgelassen habe, auf deine schamlosen, ausschweifenden Einfälle einzugehen! Es ist ungeheuerlich, obszön! Du bist eine abscheuliche, schlechte Frau, eine verkommene Hure!«
    Er hatte noch nicht ausgeredet, als sie sich in seinem Griff zu regen und zu winden begann und schnaufte, als leide sie unter akuter Erkältung. Während er sie betrachtete, verloren ihre Augen den Glanz, ihr dünner Mund erschlaffte, und ihr ganzes Gesicht wurde teigig und plump, ein völlig anderer Ausdruck als der, wie sie ihn in der Küche gezeigt hatte. Aber er dachte nicht daran, sich über die mögliche Bedeutung dieser Veränderung den Kopf zu zerbrechen, und wollte sich nicht ein drittes Mal drängen lassen, und bald knurrte und ächzte und heulte sie in seinen Armen. Als sie fertig waren, schlief sie sofort ein, noch in seinen Armen. Sie war keine ruhige Schläferin und ließ beim Ausatmen Seufzer und kleine Grunzlaute hören, aber Alexander war zufrieden. Er streichelte ihr kurzes Haar, das, vielleicht unerwartet, vor nicht langer Zeit gewaschen worden war, und ließ seine Gedanken schweifen.
    Seit seiner Schulzeit hatte Esmé Latour-Ordschonikidses ›Gedanken und Aussprüche‹ zu seinen Lieblingsbüchern gehört. Große Teile des Abschnitts über die Liebe wußte er noch immer auswendig.
     
    Es ist der vulgärste aller Irrtümer, anzunehmen, daß eine Leidenschaft, die

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