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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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entlang zur Tür verlief. Diese stand offen; er konnte sich nicht erinnern, ob er sie geschlossen hatte oder nicht, und schob den Gedanken beiseite, als Frau Korotschenko seine Hände an sich zog, wie sie es schon einmal getan hatte.
    »Das war herrlich, Liebling«, sagte er, und es war nicht übertrieben, obwohl er seine eigenen Empfindungen genauer ausgedrückt hätte, wenn er das Vorgegangene als so seltsam beschrieben haben würde, daß man es kaum glauben könne. Er blickte in ihr Gesicht, konnte dort aber keine Emotionen finden, nur Zeichen ihres körperlichen Zustandes. Ihr Blick streifte ihn und wanderte weiter, als ob er ein Fremder auf einem öffentlichen Platz wäre.
    »Wollen wir jetzt hinaufgehen?«
    »Wozu?«
    »Es ist bequemer. Wie ich sagte.«
    »Ja, aber warum willst du jetzt da hingehen? – Na gut«, fuhr sie fort, bevor er antworten konnte, vielleicht in Erinnerung ihres Gesprächs im Park seines Vaters. Sie richtete sich auf.
    »Was ist mit deinen Kleidern?«
    »Welchen Kleidern?«
    Er wandte den Kopf und blickte in der Küche umher. Es traf zu, daß nirgendwo Kleider von ihr zu sehen waren.
    »Die du anhattest, bevor ich kam.«
    »Was? Meine Kleider sind oben«, sagte sie und ging zur Tür.
    »Es ist niemand in der Nähe, oder? Dienstpersonal oder was? Ich hätte schwören mögen, daß ich jemand hörte.«
    »Du irrst dich, außer uns ist niemand da.«
    Sie gingen hinaus und durch die Diele zum Fuß der Treppe. Als sie die Treppe erstiegen, legte er ihr den Arm um die Taille; sie blickte über die Schulter hinab, um zu sehen, was diese übertriebene Geste zu bedeuten habe, dann kratzte sie sich ungeniert den Bauch. Das Zimmer, das ihr Ziel war, lag am Ende des oberen Korridors, eine schmale Mansarde. Es war nicht sehr hell darin, weil die Fenster klein und halb verdeckt von schweren Brokatvorhängen waren, die aus einem viel größeren Stück geschnitten sein mußten; die in stumpfem Weinrot gehaltene Tapete und die dunkelbraune Farbe des Teppichs ließen es noch dunkler erscheinen. Auch die Bilder hatten nichts Heiteres; es waren Aquarelle und Pastellzeichnungen von Landschaften und Gestalten, alle von derselben erstaunlich untalentierten Hand, die Zeichnungen ungelenk, die Farben der Aquarelle blaß und verfließend. Andere Gegenstände zeigten verwandte Aspekte derselben wahrhaft kindlichen Unfähigkeit: ein bauchiger Tonkrug, ein Stück schmutziger Strickarbeit von jämmerlicher Unvollkommenheit, eine unscharfe Fotografie eines etwa zehnjährigen Mädchens, ein Bucheinband aus irgendeinem künstlichen Material, auf dem die Beschriftung schlecht spationiert und ausgerichtet war. Nichtsdestoweniger verkündete sie klar genug, daß das Buch in dem Schutzeinband ›Anna Karenina‹ von Leo Tolstoj war, und wenn Alexander interessiert gewesen wäre, hätte er leicht feststellen können, daß es wirklich dieses Buch war, und daß die Seiten überdies bis zur Mitte des ersten Teils eselsohrig und fleckig von Speisen und Getränken waren, während die danach ganz glatt und sauber lagen. Aber natürlich war er daran nicht im mindesten interessiert, noch an den Bildern oder irgendeinem der Gegenstände im Raum, abgesehen vom Bett, dessen Abmessung und Umgebung zeigten, daß es kein Ehebett war, seinen Zweck aber gut genug erfüllen würde.
    Er schlug die billige, mit irgendwelchen Kunststofflocken gefüllte Steppdecke zurück und zog sich rasch aus, während Frau Korotschenko ihn von einem Hocker aus beobachtete, der vor einem großen, mit Bildpostkarten und weiteren Pastellzeichnungen besteckten Spiegel stand. Als er sich weiter umsah, bemerkte er, daß ihre Kleider, in dem Sinne, wie er es gemeint hatte, auch hier nicht zu sehen waren, obwohl da und dort Artikel aus Stoff herumlagen. Zweifellos ging sie zu Hause nackt, solange das Wetter es zuließ. Als er sich endlich auf das Bett niedersetzte und sie aufforderte, zu ihm zu kommen, tat er es halb in der Erwartung, daß sie irgendeinen anderen ungewöhnlichen Ort vorschlagen oder ihn wenigsten fragen würde, wozu er das wolle, aber sie kam schweigend und bereitwillig herüber. Dennoch war ihre Reaktion weder warm noch freundlich, als er sich der Aktivität widmete, an die er gedacht hatte und die einfach in der eingehenden Erforschung dessen bestand, was er bisher nur in Umrissen hatte sehen können. Sie schickte sich mit Anstand in Perversitäten wie geküßt und liebkost zu werden, wo jede normale Frau es natürlich vorgezogen haben würde, sich

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