Das Auge des Basilisken

Rechnungsabnahme, und natürlich muß ich meinen Schreibtisch in Ordnung bringen. Georg ist zum Regiment geritten, um Billard zu spielen, und der Major wollte frühzeitig schlafen gehen. Also nutzte ich den Abend zur Arbeit, und jetzt lasse ich mir ein Glas Bier schmecken. Ist das so seltsam?«
    »Kein bißchen, Boris, nicht im mindesten«, sagte Leo. »Wenn du es erzählst, hört es sich so natürlich an wie das Atmen.«
    Eine kurze Pause folgte, dann sagte Boris: »Ich nehme an, ihr vier habt irgendwo Skandal gemacht.«
    »Wir haben ein kolossales Fest gefeiert«, sagte Viktor. »Wirklich großartig. Ich glaube, es wurde gesungen, aber ich kann mich nicht genau erinnern. Daher weiß ich, daß es kolossal war. Und nun brauche ich was zu trinken.«
    »Du hattest schon mehr als genug«, sagte Leo.
    »Wirklich? Also, das ist schon eine Weile her, weißt du. Das ist nicht dasselbe wie jetzt. Jetzt brauche ich noch einen.« Andere dachten wie er, und man begab sich zur Offiziersmesse. Nachdem sie Licht gemacht hatten, begann Viktor unbeholfen in einem Schrank hinter der kleinen Bar zu kramen. »Wo ist dieser verwünschte Ochotnitscha? Dieser diebische Bauer von einem Kellner muß ihn mit ins Bett genommen haben. Ach nein, ich bitte ihn um Verzeihung.« Er schenkte sich ein Glas voll und hielt die Flasche hoch. »Noch jemand? Ihr seid ein jämmerlicher Haufen. Alexander, würde es dir was ausmachen, den Bon gegenzuzeichnen? Morgen früh gebe ich dir das Geld.«
    »Nun, meine Herren«, sagte Leo mit lauter Stimme, »es ist klar, daß es für Männer von Charakter nur eines gibt, wenn es gilt, den Abend abzurunden, was, Viktor?«
    »Du meinst, russisches Versteckspiel?«
    »Erraten. Wer macht mit? Dmitri? Alexander?«
    Dmitri stimmte zu, Alexander lehnte ab. Sie alle kannten ihn und hatten mittlerweile eine feste Meinung, soweit es seine Eigenschaften betraf. Sie wußten, daß es kaum etwas gab, was ihn bewegen könnte, in die Dunkelheit hinauszugehen und sich beschießen zu lassen. Leichtsinnig zu scheinen, war eine Sache, es zu sein, eine ganz andere. Die drei anderen schickten sich an, ihre Waffen aus den Schlafkammern im Obergeschoß zu holen, als Boris gekränkt sagte:
    »Will denn niemand mich fragen?«
    »Tut mir leid, Boris«, sagte Leo ziemlich unbußfertig, »aber ich habe es mir abgewöhnt, in diesem Zusammenhang an dich zu denken.«
    »Ich bin kein Mann von Charakter, willst du sagen.«
    Viktor trat schwankend auf ihn zu und klopfte ihm die Schulter. »Du hast eine Menge anderer sehr guter Eigenschaften, alter Junge.«
    »Ich werde euch zeigen, wer ein Mann von Charakter ist«, sagte Boris, der tief errötet war. »Kann jemand von euch mir einen Revolver leihen?«
    »Laß die Finger davon, Boris!« sagte Alexander. »Sei kein Dummkopf!«
    »Haben Sie die Güte, den Mund zu halten, junger Mann, das geht Sie nichts an! Ja, Boris, ich kann dir gern einen geben. Wir kommen gleich wieder herunter.«
    Sobald sie allein waren, sagte Alexander mit wirklicher Eindringlichkeit: »Überleg es dir noch mal! Jetzt kannst du noch zurück. Wen kümmert es, was sie denken, diese Idioten?«
    »Es bleibt dabei. Ich kann nicht zurück, ohne das Gesicht zu verlieren.«
    »Besser das Gesicht als … Wie du willst, aber nun paß auf! Der einzige Grund, daß diese Bande noch am Leben ist, ist der, daß sie alle gegen die Regeln verstoßen. Hör zu, Boris! Es heißt, du darfst dich nicht von der Stelle bewegen, nachdem du gerufen hast, aber du mußt es tun! Bleib in Bewegung! Lauf, ruf ihnen zu und lauf weiter! Oder spring in Deckung! Hast du verstanden? Wenn du stillstehst, wird es dich erwischen!«
    »Mach dir keine Sorgen, Alexander, ich kann auf mich achtgeben.«
    »Davon bin ich nicht überzeugt, nicht in einer Sache wie dieser.«
    »Während ich absolut unverwundbar bin, wenn es darum geht, einen Bleistift zu schwingen. Vielen Dank.«
    »Ach du lieber Gott, ich wollte nicht …«
    »Es war nur ein Spaß. In Bewegung bleiben, das habe ich verstanden. Nun mach dir keine Sorgen. Wirklich, ich verspreche dir, daß ich keine Schwierigkeiten haben werde.«
    »Sieh zu, daß es dabei bleibt!«
    Als seine vier Offizierskameraden zusammen hinausgegangen waren, horchte Alexander ihren Schritten nach, bis sie außer Hörweite waren. Dann ging er zur Bar, schenkte sich einen Wodka ein und stürzte ihn hinunter (er hatte bei Wright nicht so viel getrunken, wie er sich den Anschein gegeben hatte), schenkte nach, nahm eine Zigarette aus dem