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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Abendgesellschaft in Dr. Joseph Wrights Haus ging ihrem Ende entgegen. Der Wodka zirkulierte seit geraumer Zeit, und alles schwitzte in der spätsommerlichen Schwüle. Der dickliche junge Offizier namens Leo, der mit dem kraftlosen Mund, wandte sich schwerfällig zu Wright.
    »Ich habe Sie nicht trinken sehen, als wir diesen Toast ausbrachten, Doktor.«
    »Ich habe früh am Morgen einen Krankenbesuch zu machen.«
    »Sicherlich. Ich meine aber, Sie stellten Ihr Glas vorsätzlich und demonstrativ zur Seite. Es war nicht bloß so, daß Sie nicht trinken wollten – Sie haben sich aus vorgefaßtem Entschluß nicht am Toast beteiligt.«
    »Na schön, aber bitte lassen Sie uns nicht darüber diskutieren.« Als der andere einen Ausdruck gespielter Verblüffung annahm, fuhr er eilig fort: »Denn ich weiß aus Erfahrung, daß es ganz unmöglich ist, einem Russen zu erklären, wie wir in diesem Punkt empfinden. Nach allem, was geschehen ist … hat es keinen Sinn.«
    Leos Ausdruck veränderte sich zu stirnrunzelndem Unverständnis. »Sie vergiftete sich. Ist das so geheimnisvoll?«
    »Bitte. Trinken Sie noch einen, aber bedrängen Sie mich nicht!«
    »Gut, wie Sie wollen«, sagte Leo gekränkt. »Ich werde Sie nicht mehr bedrängen. Ich dachte nur, je gründlicher unsere Leute die Engländer verstehen, desto besser. Ich versuchte nur, behilflich zu sein.«
    »Das können Sie am besten, wenn Sie davon schweigen. Bitte!«
    »Nun gut. Tut mir leid.«
    Vorübergehend vom Zwang der Konversation befreit, schob Wright den Gedankengang von sich und verlagerte seine Aufmerksamkeit auf die übrigen Gesprächsteilnehmer, drei Russen und vier Engländer – keine Frauen; dies war ein Abend ernsthaften Diskutierens und Trinkens, kein Abend der Tändelei und Galanterie. Alle sieben Gesichter glänzten vom guten Willen ebenso wie vom Alkohol; alle Augen konnten in Tränen schwimmen oder in blutunterlaufenem Zorn funkeln, ehe noch die nächste Runde eingeschenkt wäre, aber im Augenblick hielt sich die Balance. Die drei betrachteten die vier in gleicher Weise wie die vier die drei betrachteten: mit Toleranz, oberflächlicher Zuneigung, begrenztem Vertrauen und jener leisen, kaum spürbaren Geringschätzung, die oft zwischen Gruppen verschiedener Nationalitäten besteht, selbst wenn sie einander seit langem bekannt sind. Das waren ihre fixierten Einstellungen; zu anderen Zeiten wären ihre Gefühle weniger rückhaltlos gewesen, aber nicht grundsätzlich verschieden. Wright konnte nicht für die Russen sprechen, aber er war überzeugt, daß die Meinung der Engländer von ihnen sich niemals sehr ändern würde. Peter Bailey, ein Bauunternehmer, arbeitsam, gesprächig, großzügig; Jim Hough, Wasserbauingenieur, nicht sehr helle, sparsam mit seinem Geld; Terry Hazelwood, Landwirtschaftsingenieur, dicklich, zuverlässig, gut gekleidet, kenntnisreich über die einheimische Fauna; Frank Simpson, ein technischer Zeichner, großer Geschichtenerzähler und Frauenheld; alle unter Vierzig. Wenn die Überwachungseinheiten zu ihren Lebzeiten zurückgezogen würden (was eines Tages wohl der Fall sein mußte), wäre es für sie kein Anlaß zur Freude. Für sie waren die Verhältnisse gut genug, wie sie waren. Englisch ist eine Sprache, dachte Wright bei sich; England ist ein Ort.
    Die in erster Linie für das gesellige Beisammensein verantwortliche Person hatte bisher wenig daran teilgenommen und saß auch jetzt noch mit verdüsterter Miene abseits. Mit der Hoffnung auf eine Gelegenheit, ihm den Grund seiner Mißstimmung zu entlocken, setzte Wright sich zu ihm. So munter, wie es ihm möglich war, sagte er:
    »Das Leben scheint Sie nicht allzusehr zu erfreuen, Fähnrich Petrowsky.«
    »Es liegt nicht am Leben, es liegt an mir selbst. Vor einigen Tagen tat ich etwas, worüber ich mich sehr schämte, und ich kann es mir nicht aus dem Kopf schlagen.«
    »Wie verdrießlich. Vielleicht würde es Ihnen Erleichterung verschaffen, wenn Sie mir davon erzählten.«
    Wright hatte sich darauf gefreut, Alexander mit Gleichgültigkeit zu strafen, falls dieser erwartete, daß er ihm die Geschichte mit gutem Zureden entlocken würde, und war deshalb einigermaßen überrascht, als der andere entschieden den Kopf schüttelte. »Es würde wahrscheinlich eine Erleichterung sein, aber ich müßte Ihnen alles erzählen, damit Sie sich ein Bild machen können, und das ist unmöglich, weil es mit Vertraulichkeiten zu tun hat. Trotzdem, Dank für die Nachfrage. Selbst die paar Worte

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