Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
Vom Netzwerk:
tun?«
    »Für dich vielleicht nicht viel«, sagte Leo.
    »Na, jedenfalls heute war es vernünftig sich zu betrinken. Darum sind wir schließlich hingegangen, nicht? Wir gingen hin, um uns zu betrinken, nicht zu reden oder zu singen. Haben wir gesungen? Und wenn schon, dann sangen wir eben, weil wir uns betranken, nicht weil wir singen wollten. Ich weiß nicht, warum ihr hingegangen seid, es sei denn, um euch einen Rausch zu holen und die Engländer zu verspotten.«
    »Andernfalls hätten wir mit Georg und dem Major in der Messe sitzen müssen.«
    »Wenn du das getan hättest, wäre dir ein wunderschönes Fest entgangen. Weißt du, woher ich weiß, daß es wunderschön war? Weil ich mich schon nicht mehr an den späteren Teil erinnern kann. Haben wir gesungen?«
    »Wir haben«, sagte Dmitri. »Nun sei endlich still und schlaf!«
    Der Borzoi folgte dem Lichtkegel seiner Scheinwerfer geraden Straßenstrecken entlang, durch weite Kurven und sanfte Bodenwellen hinauf und hinab. Bisweilen wurde Alexander von der Illusion heimgesucht, daß nicht der Wagen der Straße folge, sondern diese sich dem Fahrzeug angleiche und überall sei, wohin es fuhr. Er erinnerte sich, daß er in der Vergangenheit schon einige Male die gleiche Einbildung gehabt hatte, aber nur wenn er sehr müde gewesen war. War er jetzt sehr müde? Sicherlich hatte er die letzten Nächte nicht sehr gut geschlafen, aber ob das schwüle Wetter ihn daran gehindert oder Gedanken an Frau Korotschenko ihn wachgehalten hatten, konnte er nicht sagen, obwohl er solche Gedanken durchaus gehabt hatte. Einige von ihnen waren fruchtlose Selbsterforschung, andere beschäftigten sich mit der Frage, warum er so etwas wie Gewissensbisse verspürte. Zuletzt schloß er die Augen und versuchte sich vorzustellen, er reite auf dem Pferd durch die Landschaft.
    Er war eben am Einnicken, als er von einer jähen, unerwarteten Bewegung des Wagens wieder wachgerüttelt wurde. »Was war das?«
    »Ich glaube, wir haben etwas angefahren«, sagte Leo, der die Geschwindigkeit kaum verringert hatte. »Es war nichts zu sehen.«
    »Wir sollten lieber anhalten und umkehren. Nachsehen, was es gewesen ist.«
    »Warum, im Namen des Himmels?«
    »Weil unsere Nummernschilder beleuchtet sind. Hast du vergessen, wie es damals diesem Gefreiten ergangen ist, der ein Kind niedergerissen und es nicht gemeldet hatte? Dabei war er dienstlich als Kurier eines Offiziers unterwegs gewesen.«
    »Alex hat recht«, sagte Dmitri. »Sehen wir lieber nach.«
    »Verdammter Mist, verdammter!« sagte Leo zornig und trat auf die Bremse.
    Wenige Minuten später sagte Alexander: »Hier. Genau am Anfang der Kurve. Es war auf meiner Seite, nicht?«
    »Da ist nichts«, sagte Leo.
    »Warte!«
    Alexander nahm die Taschenlampe aus der Klemme unter dem Armaturenbrett, stieg aus, ging den Straßenrand entlang und sah sofort eine ungefähr kreisförmige Blutlache von einem Dutzend Zentimetern im Durchmesser. Eine Spur von Blutstropfen führte zum Straßenrand und verlor sich im angrenzenden Gras und Gestrüpp, so daß er ihr nicht hätte folgen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Instinktiv hob er den Kopf und lauschte, und im selben Augenblick schaltete Leo wie in stillschweigender Übereinkunft die Zündung aus. In der ungeheuren Stille und Dunkelheit vernahm Alexander einen Schrei, sehr fern oder schwach. Er konnte ihn nicht deuten, aber das hätte er auch dann nicht vermocht, wenn der Schrei aus der Nähe an sein Ohr gedrungen wäre. Er wurde nicht wiederholt. Alexander kehrte zum Lastwagen zurück.
    »Du hattest ganz recht«, sagte er zu Leo. »Da war absolut nichts.«
    Der Rest der Fahrt verlief in vollständigem Stillschweigen. Lichtschein drang aus den Fenstern der Intendantur und verriet dem spähenden Blick, daß Boris ganz gegen seine Art weder arbeitete noch schlief, sondern ein Glas Bier trank und in einer alten Zeitung blätterte. Er hatte den Kragen geöffnet, um es bequemer zu haben, und beim Eintritt der anderen versuchte er ihn hastig zu schließen, bevor er zu dem Schluß gelangte, daß er ihn besser so lasse, wie er war. Lächelnd und ihnen zunickend stand er auf.
    »Was in aller Welt tust du hier, Boris?« fragte Leo. »Um diese Zeit.«
    »Er hat seine Abrechnungen auf den letzten Stand gebracht, was, Boris?« sagte Viktor.
    »Vielleicht sagt er es uns, wenn wir ihn reden lassen«, sagte Dmitri.
    Boris lachte. »Ich sehe nicht, was ihr so außergewöhnlich daran findet. Nächste Woche ist

Weitere Kostenlose Bücher