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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Abenteuer verschwindet in einem mächtigen Schatten.
    Lauthals schreiend erreicht er die Straßen der Stadt. Erschreckte Menschen weichen ihm aus, als wäre er ein tollwütiger Hund.
    Aber Schrotthändler Rönning, der als Freiwilliger den finnischen Winterkrieg mitgemacht und wesentlich schlimmere Situationen überstanden hat als einen wüst brüllenden Jungen, hält ihn fest und fordert ihn energisch auf, ihm zu sagen, was passiert ist. Dann eilen die Menschen zum Fluß hinab.
    Das örtliche Taxi, das auch als Krankenwagen dient, schlingert auf dem Schotter heran und verschwindet Richtung Brücke. Der Richter und seine Frau werden benachrichtigt, und im Krankenhaus beginnt der einsame und ewig übermüdete Arzt, Sture zu untersuchen.
    Er lebt, er atmet. Die Gehirnerschütterung wird abklingen.
    Aber das Rückgrat ist gebrochen, der Junge ist bis zum Hals gelähmt.
    Der Arzt steht eine Weile am Fenster und blickt auf die waldige Hügellandschaft hinaus, ehe er zu den wartenden Eltern geht.
    Zur gleichen Zeit übergibt sich Hans Olofson auf der Toilette des Polizeipräsidiums. Ein Polizist hält ihn an den Schultern und als er fertig ist, beginnt ein behutsames Verhör.
    »Die rote Jacke«, wiederholt er immer wieder. »Ich habe gesehen, daß die Jacke im Fluß lag.«
    Schließlich eilt sein Vater aus dem Wald herbei, Schrotthändler Rönning fährt die beiden nach Hause, und Hans Olofson geht ins Bett. Erik Olofson sitzt noch weit nach Mitternacht auf der Bettkante, bis sein Sohn endlich schläft.
    Die ganze Nacht brennt Licht im geräumigen Obergeschoß des Gerichtsgebäudes.
    Nur wenige Tage nach dem Unglück verschwindet Sture aus der Stadt. Am frühen Morgen wird er auf einer Bahre zu einem wartenden Krankenwagen getragen, der schnell Richtung Süden fährt. Der Wagen wirbelt Staub auf, als er durch Ulvkälla fährt. Aber es ist noch früh am Tag, Janine schläft noch, und das Auto verschwindet in den endlosen Wäldern der Orsa Finnmark.
    Hans Olofson hat keine Gelegenheit, seinen gestürzten Gefährten zu besuchen. Bei Einbruch der Dämmerung am Tag vor Stures Abtransport streicht er unruhig um das Krankenhaus herum und versucht sich vorzustellen, hinter welchem Fenster Sture liegt. Aber alles ist geheimnisvoll und bleibt verborgen, so als wäre das gebrochene Rückgrat ansteckend.
    Vom Krankenhaus treibt es ihn zum Fluß. Unerbittlich zieht es ihn zur Brücke, und er macht sich große Vorwürfe.
    Das Unglück ist seine Schöpfung …
    Als er erfährt, daß Sture am frühen Morgen aus der Stadt in ein weit entferntes Krankenhaus gebracht wurde, schreibt er einen Brief, steckt ihn in eine Flasche und wirft ihn anschließend als Flaschenpost in den Fluß. Er sieht sie zur Landzunge am Volkspark treiben und läuft dann über die Brücke zu Janines Haus.
    Sie wollte an diesem Abend eigentlich
Eine herrliche Frühlingsandacht
in der Kirche besuchen, aber als Hans Olofson wie ein weißer Schatten in ihrer Tür steht, bleibt sie zu Hause. Er läßt sich auf seinen angestammten Platz in ihrer Küche fallen. Janine setzt sich ihm gegenüber und beobachtet ihn.
    »Setz dich bitte nicht auf diesen Stuhl«, sagt er. »Das ist Stures.«
    Ein Gott, der die Erde mit sinnlosem Schmerz füllt, denkt sie, einem jungen Burschen das Rückgrat bricht, als es gerade Sommer geworden ist.
    »Spiel etwas«, sagt er plötzlich, ohne den Kopf zu heben.
    Sie packt ihre Posaune aus und spielt »Creole Love Call«, so schön sie nur kann.
    Als sie fertig ist und den Speichel aus dem Instrument bläst, steht er auf, zieht seine Jacke an und geht.
    Ein viel zu kleiner Mensch in einer viel zu großen und unergründlichen Welt, denkt sie. Erfüllt von jäher Wut, setzt sie das Mundstück an die Lippen und spielt ihr Klagelied »Siam Blues«. Die Töne brüllen wie gepeinigte Tiere, und sie bemerkt nicht, daß Hurra-Pelle eintritt und sie bestürzt ansieht, während sie sich auf nackten Füßen im Takt ihrer Musik wiegt. Als sie ihn schließlich sieht, hört sie auf zu spielen und stürzt sich mit wütenden Fragen auf ihn. Er muß sich ihre Zweifel an einem versöhnenden Gott anhören, und auf einmal ist ihm, als drohe das Loch unter ihren Augen ihn zu verschlingen.
    Er bleibt stumm und läßt sie reden. Sorgfältig wägt er seine Worte ab und schiebt Janine auf den rechten Pfad zurück. Aber obwohl sie ihm nicht widerspricht, bezweifelt er, daß es ihm gelungen ist, ihr die Kraft des Glaubens wieder einzuflößen. Er beschließt, sie in der

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