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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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lauscht und wird von schleichender Angst erfaßt. Der undefinierbare Geruch sticht ihm noch immer in die Nase.
    Ich verschwinde wieder, denkt er erregt. Wenn ich jetzt aufbreche, bin ich niemals hier gewesen.
    Im gleichen Moment kommt David Fischer mit seinem Koffer. »Wenn ich recht verstanden habe, wollen Sie bleiben«, sagt er. »Viel Glück. Wenn Sie umkehren wollen, haben die Missionare Autos. Sie wissen ja, wo ich wohne.«
    »Wie kann ich Ihnen danken?« fragt Hans Olofson.
    »Warum muß man sich eigentlich immer bedanken«, erwidert David Fischer und geht.
    Hans Olofson sieht dem Auto nach. Regungslos stehen die Kinder vor ihm und sehen ihn an.
    Plötzlich wird ihm schwindlig von der unerträglichen Hitze. Er geht in die Klosterzelle, die man ihm zugeteilt hat, streckt sich auf dem harten Bett aus und schließt die Augen.
    Die Kirchenglocken verstummen und alles ist still. Als er die Augen wieder aufschlägt, stehen die Kinder immer noch in der Türöffnung und sehen ihn an. Er streckt die Hand aus und winkt ihnen zu. Sie sind sofort verschwunden.
    Er muß auf Toilette und tritt aus dem Haus. Die Hitze schlägt ihm wie eine Wand entgegen. Der große Sandplatz ist verwaist, sogar die Kinder sind verschwunden. Seine Suche nach einer Toilette führt ihn auf die Rückseite des Hauses, wo er eine Tür entdeckt. Als er die Klinke herunterdrückt, öffnet sich die Tür. Er tritt ein und kann in der Dunkelheit zunächst nichts erkennen. Von dem beißenden Gestank im Raum wird ihm schlecht. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkennt er, daß er sich in einer Leichenhalle befindet. Auf Holzbänken liegen zwei tote Afrikaner, deren nackte Körper nur notdürftig mit schmutzigen Laken bedeckt sind.
    Er schreckt zurück und schlägt die Tür hinter sich zu. Ihm wird wieder schwindlig.
    Auf der Eingangstreppe vor seiner Tür sitzt ein Afrikaner und sieht ihn an. »Ich bin Joseph,
bwana
«, sagt er. »Ich werde vor Ihrer Tür wachen.«
    »Wer hat gesagt, daß du hier sitzen sollst?«
    »Die Missionare,
bwana

    »Und warum?«
    »Für den Fall, daß etwas passiert,
bwana

    »Was soll denn passieren?«
    »In der Dunkelheit kann viel passieren,
bwana

    »Und was?«
    »Das weiß man, wenn es passiert,
bwana

    »Ist schon einmal etwas passiert?«
    »Es passiert immer viel,
bwana

    »Wie lange wirst du hier sitzen bleiben?«
    »So lange
bwana
bleibt,
bwana

    »Und wann schläfst du?«
    »Wenn Zeit dafür ist,
bwana

    »Es gibt nur Tag und Nacht.«
    »Manchmal tauchen auch noch andere Zeiten auf,
bwana

    »Was tust du, wenn du hier sitzt?«
    »Ich warte darauf, daß etwas passiert,
bwana

    »Was?«
    »Das weiß man, wenn es passiert,
bwana

    Joseph zeigt ihm, wo die Toilette ist und wo er unter einem Benzinfaß mit einem tropfenden Wasserschlauch duschen kann. Nachdem er sich umgezogen hat, begleitet Joseph ihn zum Speisesaal der Missionsstation. Ein hinkender Mann wischt die Tische mit einem schmutzigen Lappen ab.
    »Bin ich hier der einzige?« fragt er Joseph.
    »Die Missionare sind unterwegs,
bwana
. Aber morgen sind sie vielleicht wieder da.«
    Joseph bleibt vor der Tür stehen. Hans Olofson setzt sich an einen Tisch. Der hinkende Afrikaner bringt ihm einen Teller mit Suppe. Er ißt und wedelt Fliegen weg, die seinen Mund umschwirren. Plötzlich sticht ihn ein Insekt in den Nacken, und als er zusammenzuckt, kleckert er Suppe auf den Tisch. Sofort nähert sich der hinkende Mann mit seinem Lappen.
    Auf diesem Kontinent ist alles ins Gegenteil verkehrt, denkt er. Wenn jemand saubermacht, greift der Schmutz nur noch mehr um sich.
    Die kurze Dämmerung ist schon fast wieder vorbei, als er den Speisesaal verläßt. Vor der Tür erwartet ihn Joseph. In der Ferne glimmen Lagerfeuer.
    Er bemerkt, daß Joseph schwankt und sich kaum auf den Beinen halten kann. »Du bist betrunken, Joseph«, sagt er.
    »Ich bin nicht betrunken,
bwana

    »Ich sehe doch, daß du betrunken bist!«
    »Ich bin nicht betrunken,
bwana
. Jedenfalls nicht sehr. Ich trinke nur Wasser,
bwana

    »Von Wasser wird man nicht betrunken. Was hast du getrunken?«
    »Afrikanischen Whisky,
bwana
. Aber das ist nicht erlaubt. Ich darf nicht hierbleiben, wenn einer der
wazungu
etwas davon erfährt.«
    »Was passiert, wenn jemand merkt, daß du betrunken bist?«
    »Manchmal müssen wir uns morgens in einer Reihe aufstellen und die
wakakwitau
anhauchen,
bwana
. Wenn jemand nach etwas anderem als Wasser riecht, wird er

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