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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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bestraft.«
    »Wie?«
    »Schlimmstenfalls muß er mit seiner Familie Mutshatsha verlassen,
bwana

    »Ich werde nichts sagen, Joseph. Ich bin kein Missionar. Ich bin hier nur zu Besuch. Ich möchte etwas von deinem afrikanischen Whisky kaufen.«
    Er sieht, daß Joseph versucht, die Situation zu überdenken und eine Entscheidung zu treffen.
    »Ich werde dich für den Whisky gut bezahlen«, ergänzt Hans Olofson.
    Er folgt Josephs taumelnder Gestalt, die im Schatten der Häuserwände bleibt, zu einer Ansammlung von Schilfhütten. Verborgene Gesichter lachen in der Dunkelheit. Eine Frau schimpft mit einem Mann, Kinderaugen glänzen an einem Feuer.
    Joseph bleibt vor einer der Schilfhütten stehen und ruft etwas mit leiser Stimme. Aus der Hütte treten zwei Männer und drei Frauen, alle betrunken. Hans Olofson hat Mühe, sie in der Dunkelheit zu erkennen. Joseph bedeutet ihm, ihn in die Hütte zu begleiten. In der düsteren Hütte schlägt ihm der Geruch von Schweiß und Urin entgegen.
    Ich müßte Angst bekommen, denkt er. Statt dessen fühle ich mich in Josephs Nähe vollkommen sicher.
    Im gleichen Moment stolpert er über etwas auf dem Boden, und als seine Hand danach tastet, fühlt er, daß es ein schlafendes Kind ist. Schatten tanzen an den Wänden, und Joseph zeigt ihm, wohin er sich setzen soll. Er läßt sich auf einen Bastteppich fallen, und eine Frau reicht ihm eine Tasse. Was er daraus trinkt, schmeckt wie angebranntes Brot und ist sehr stark.
    »Was trinke ich hier?« fragt er Joseph.
    »Afrikanischen Whisky,
bwana

    »Er schmeckt grauenhaft.«
    »Wir sind daran gewöhnt,
bwana
. Wir brennen
lituku
aus Maisabfällen, Wurzeln und Zuckerwasser. Dann trinken wir ihn. Wenn wir keinen mehr haben, brennen wir neuen. Manchmal trinken wir auch Honigbier.«
    Hans Olofson merkt, daß er bereits leicht betrunken ist.
    »Warum sind die anderen rausgegangen?« fragt er.
    »Sie sind es nicht gewohnt, daß ein
mzungu
hierher kommt,
bwana
. In dieser Hütte ist vorher noch nie ein
mzungu
gewesen.«
    »Sag ihnen, daß sie zurückkommen sollen. Ich bin kein Missionar.«
    »Aber Sie sind ein Weißer,
bwana.
Ein
mzungu

    »Sag es ihnen trotzdem.«
    Joseph ruft in die Dunkelheit hinaus, und die drei Frauen und die beiden Männer kehren zurück und setzen sich. Sie sind jung.
    »Meine Schwestern und meine Brüder,
bwana
. Magdalena, Sara und Salomo, Abraham und Kennedy.«
    »Salomo ist ein Männername.«
    »Meine Schwester heißt Salomo,
bwana
. Also ist es auch ein Frauenname.«
    »Ich möchte nicht stören, bitte sag ihnen das. Sag ihnen, daß ich nicht stören möchte.«
    Joseph übersetzt, und die Frau namens Sara sagt etwas, während sie Hans Olofson Blicke zuwirft.
    »Was will sie?« fragt er.
    »Sie fragt sich, warum ein
wakakwitau
eine afrikanische Hütte besucht,
bwana
. Sie fragt sich, warum du trinkst, wo doch alle Weißen hier sagen, es sei verboten.«
    »Nicht für mich. Erklär ihr, daß ich kein Missionar bin.«
    Joseph übersetzt, und es entspinnt sich eine heftige Diskussion. Hans Olofson betrachtet die Frauen, ihre dunklen Körper, die sich unter dem
chitenge
abzeichnen. Vielleicht kehrt Janine in schwarzer Gestalt zu mir zurück, denkt er.
    Er betrinkt sich mit dem Zeug, das nach angebranntem Brot schmeckt, und lauscht einer Diskussion, die er nicht versteht.
    »Warum seid ihr so aufgeregt?« fragt er Joseph.
    »Warum trinken nicht alle
wazungu
,
bwana
? Vor allem nicht die, die über euren Gott predigen? Warum begreifen sie nicht, daß die Erleuchtung mit afrikanischem Whisky viel stärker ist? Das haben wir Afrikaner schon verstanden, als unsere Urahnen noch lebten.«
    »Sag ihnen, daß ich ganz ihrer Meinung bin. Frag sie, was sie von den Missionaren halten.«
    Als Joseph seine Worte übersetzt hat, herrscht verlegenes Schweigen.
    »Sie wissen nicht, was sie antworten sollen,
bwana
. Sie sind es nicht gewohnt, daß ein
mzungu
solche Fragen stellt. Sie haben Angst, die falsche Antwort zu geben.«
    »Was soll schon passieren?«
    »Die Missionare könnten unzufrieden sein,
bwana
. Vielleicht würden wir alle fortgejagt.«
    »Kommt so etwas vor? Daß jemand, der nicht gehorcht, fortgejagt wird?«
    »Die Missionare sind genauso wie andere Weiße auch,
bwana
. Sie verlangen den gleichen Gehorsam.«
    »Kannst du mir nicht einmal eine klare Antwort geben! Was geschieht dann?«
    »
Wazungu
finden immer, daß wir Schwarzen uns undeutlich ausdrücken,
bwana
.
    »Du sprichst in Rätseln, Joseph.«
    »Das Leben

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