Das Auge des Leoparden
ist rätselhaft,
bwana
.«
»Ich glaube kein Wort von dem, was du sagst, Joseph. Ihr werdet doch von den Missionaren nicht verjagt!«
»Natürlich glauben Sie mir nicht,
bwana
. Aber ich sage nur, wie es ist.«
»Du sagst gar nichts.«
Hans Olofson trinkt. »Die Frauen«, sagt er. »Sind das deine Schwestern?«
»Das ist richtig,
bwana
.«
»Sind sie verheiratet?«
»Meine Schwestern würden Sie gerne heiraten,
bwana
.«
»Warum denn das?«
»Ein weißer Mann ist leider nicht schwarz,
bwana
. Aber ein
bwana
hat Geld.«
»Aber sie haben mich doch noch nie gesehen?«
»Meine Schwestern haben Sie gesehen, als Sie ankamen,
bwana
.«
»Aber sie kennen mich doch gar nicht.«
»Wenn sie mit Ihnen verheiratet wären, würden meine Schwestern sie schon noch kennenlernen,
bwana
.«
»Warum heiraten sie dann keinen der Missionare?«
»Missionare heiraten keine Schwarzen,
bwana
. Die Missionare mögen die Schwarzen nicht.«
»Was zum Teufel redest du denn da?«
»Ich sage nur die Wahrheit,
bwana
.«
»Hör auf, mich
bwana
zu nennen.«
»Ja,
bwana
.«
»Natürlich mögen euch die Missionare! Euretwegen sind sie doch hier, oder etwa nicht?«
»Wir Schwarzen glauben, daß die Missionare zur Strafe hier sind,
bwana
. Wegen des Mannes, den sie an ein Kreuz genagelt haben.«
»Warum bleibt ihr dann hier?«
»Es ist ein gutes Leben,
bwana
. Wir glauben gerne an einen fremden Gott, wenn wir dafür Essen und Kleider bekommen.«
»Nur deshalb?«
»Natürlich,
bwana
. Wir haben doch unsere richtigen Götter. Denen macht es nichts aus, wenn wir ein paarmal am Tag die Hände falten. Wenn wir zu ihnen sprechen, schlagen wir unsere Trommeln und tanzen.«
»Das könnt ihr hier aber doch nicht tun, oder?«
»Manchmal gehen wir weit in den Busch hinein,
bwana
. Dort warten unsere Götter auf uns.«
»Und die Missionare wissen nichts davon?«
»Natürlich nicht,
bwana
. Sonst würden sie sich fürchterlich aufregen, und das wäre nicht gut. Besonders im Moment, denn ich soll vielleicht ein Fahrrad bekommen.«
Hans Olofson kommt mit Mühe auf die Beine. Ich bin betrunken, denkt er. Morgen kommen die Missionare zurück. Ich muß schlafen. »Begleite mich zu meinem Zimmer, Joseph.«
»Ja,
bwana
.«
»Hör auf, mich
bwana
zu nennen!«
»Ja,
bwana
. Sobald Sie abgereist sind, werde ich Sie nicht mehr
bwana
nennen.«
Hans Olofson gibt Joseph ein paar Geldscheine.
»Deine Schwestern sind schön.«
»Meine Schwestern möchten Sie gerne heiraten,
bwana
.«
Hans Olofson kriecht in das harte Bett. Vor dem Einschlafen hört er noch, daß Joseph vor der Tür bereits schnarcht.
Er wird mit einem Ruck davon wach, daß der blasse Mann an seinem Bett steht und ihn ansieht. »Bruder LeMarque ist zurückgekehrt«, sagt er mit tonloser Stimme. »Er möchte Sie gerne treffen.«
Hans Olofson zieht sich hastig an. Ihm ist schlecht, und er hat mörderische Kopfschmerzen von dem afrikanischen Whisky. Im ersten Tageslicht folgt er dem blassen Mann.
Reisen diese Missionare etwa nachts, denkt er. Welchen Grund soll ich eigentlich für meine Anwesenheit angeben?
Er betritt eines der grauen Häuser.
An einem einfachen Holztisch sitzt ein junger Mann mit einem dichten Bart. Er trägt ein löchriges Unterhemd und eine schmutzige kurze Hose. »Unser Gast«, sagt er und lächelt. »Ich darf Sie willkommen heißen.«
Patrice LeMarque erzählt Hans Olofson, daß er aus Kanada stammt. Der hinkende Mann hat zwei Kaffeetassen gebracht, und sie setzen sich auf der Rückseite des Hauses in den Schatten eines Baums. In der Missionsstation Mutshatsha leben Missionare und Pflegepersonal aus verschiedenen Ländern.
»Aber niemand aus Schweden?« fragt Hans Olofson.
»Im Moment nicht«, antwortet Patrice LeMarque. »Vor zehn Jahren war zuletzt eine schwedische Krankenschwester bei uns, die aus einer Stadt kam, die, wenn ich mich recht erinnere, Kalmar hieß.«
»Der erste Schwede hier stammte aus Röstånga. Harry Johanson.«
»Haben Sie die weite Reise wirklich nur auf sich genommen, um sein Grab zu sehen?«
»Ich bin auf sein Schicksal gestoßen, als ich noch sehr jung war. Ohne sein Grab gesehen zu haben, werde ich nicht fertig mit ihm.«
»Im Schatten dieses Baums hat Harry Johanson früher oft gesessen«, sagt Patrice LeMarque. »Wenn er allein sein und meditieren wollte, zog er sich hierher zurück. Dann durfte ihn niemand stören. Ich habe einmal eine Fotografie von ihm gesehen, auf der er hier sitzt. Er war zwar nicht besonders groß,
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