Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Vollrausch auf und gib mir die verdammten Medikamente!«
    Auf einmal ist auf der anderen Seite der Pforte ein scharrendes Geräusch zu hören, und Hans Olofson ruft seinen Namen. Duncan Jones steht nackt vor ihm. In der Hand hält er einen Revolver.
    Das ist doch Wahnsinn, denkt Hans Olofson wieder. Das würde mir kein Mensch glauben, ich werde es selber kaum glauben können, wenn ich mich daran erinnere. Ich werde ihr die Medikamente besorgen. Dann reise ich ab. Das ist doch kein Leben, das ist Wahnsinn.
    Duncan Jones ist so betrunken, daß Hans Olofson ihm immer wieder erklären muß, warum er gekommen ist. Schließlich drückt er dem Mann die Mündung der Schrotflinte gegen die Brust. »Malariamittel«, brüllt er. »Malariamittel …«
    Endlich versteht Duncan Jones und wankt in sein Haus zurück. Hans Olofson betritt einen Ort unbeschreiblichen Verfalls: schmutzige Wäsche, leere Flaschen, halb geleerte Teller, Zeitungsstapel.
    Das ist ein Leichenhaus, denkt er. Hier stellt der Tod ein letztes Mal die Möbel um.
    In diesem Chaos wird Duncan Jones niemals Medikamente finden, denkt er und stellt sich innerlich bereits darauf ein, den weiten Weg zu Mastertons Farm zu fahren. Aber Duncan Jones kehrt taumelnd aus dem Zimmer zurück, das sein Schlafzimmer zu sein scheint, und hält eine Papiertüte in der Hand. Hans Olofson reißt sie ihm aus der Hand und verläßt ihn.
    Erst als er wieder im Haus ist und hinter sich abgeschlossen hat, merkt er, daß er schweißgebadet ist.
    Vorsichtig rüttelt er Judith aus ihrem Fieberschlaf und zwingt drei Tabletten in sie hinein, nachdem er die Anweisungen auf der Packung gelesen hat. Sie sinkt in die Kissen zurück, und er setzt sich auf einen Stuhl und atmet auf. Plötzlich wird ihm bewußt, daß er noch immer das Gewehr in der Hand hält. Das ist einfach nicht normal, denkt er. Ich könnte mich nie an dieses Leben gewöhnen. Ich würde nicht überleben.
    Er hält die ganze Nacht Wache und sieht, wie das Fieber fällt und wieder steigt. Im Morgengrauen befühlt er ihre Stirn. Ihre Atemzüge sind regelmäßig und tief.
    Er geht in die Küche und schließt die Tür auf. Luka steht davor und wartet.
    »Kaffee«, sagt Hans Olofson. »Kein Essen, nur Kaffee. Madam Judith ist krank.«
    »Ich weiß,
bwana
«, erwidert Luka.
    Plötzlich von Müdigkeit überwältigt, platzt er mit einer wütenden Frage heraus. »Woher willst du das wissen? Immer diese Afrikaner, die alles schon im voraus wissen.«
    Luka scheint von seinem Wutanfall unbeeindruckt. »Ein Auto fährt viel zu schnell durch die Nacht,
bwana
«, antwortet er. »Jeder
mzungu
fährt anders.
Bwana
hält vor
bwana
Duncans Haus. Feuert sein Gewehr ab, ruft in der Nacht. Luka wird wach und denkt, daß Madam krank ist. Madam ist niemals krank, außer sie hat Malaria.«
    »Koch jetzt den Kaffee«, sagt Hans Olofson. »Es ist noch zu früh, um sich lange Erklärungen anzuhören.«
    Um kurz nach sechs setzt er sich in den Jeep und versucht, sich an Judiths Stelle zu versetzen. Er erledigt ihre Arbeit, hakt auf einer Anwesenheitsliste ab, daß die Arbeiter gekommen sind, überwacht das Einsammeln und den Abtransport der Eier. Er überschlägt die Futterbestände und organisiert eine Traktorfahrt zu der Mühle, die sie als nächstes mit dem nötigen Maisabfall beliefern soll.
    Um elf hält ein rostiger PKW mit ausgeleierten Stoßdämpfern vor dem Lehmverschlag, in dem Judith ihr Büro eingerichtet hat. Hans Olofson tritt in das gleißende Sonnenlicht hinaus. Ein auffallend gut gekleideter Afrikaner kommt ihm entgegen, und Hans Olofson sieht sich erneut einer komplizierten Begrüßungsprozedur ausgesetzt.
    »Ich suche Madam Fillington«, sagt der Mann.
    »Sie ist krank«, antwortet Hans Olofson.
    Der Afrikaner sieht ihn lächelnd und prüfend an. »Ich bin Mister Pihri«, fährt er schließlich fort.
    »Ich bin für eine Übergangszeit Madam Fillingtons Verwalter«, sagt Hans Olofson.
    »Ich weiß«, erwidert Mister Pihri. »Aus diesem Grund komme ich heute mit einigen wichtigen Papieren zu Ihnen. Wie gesagt, ich bin Mister Pihri, der Madam von Zeit zu Zeit einen kleinen Gefallen tut, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, die Kummer bereiten könnten.«
    Hans Olofson spürt, daß er vorsichtig sein muß. »Papiere?« sagt er.
    Mister Pihri macht ein bekümmertes Gesicht. »Madam Fillington pflegt mir stets Tee anzubieten, wenn ich sie besuche«, sagt er.
    Hans Olofson hat einen Teekocher in der kleinen Hütte gesehen und bittet einen

Weitere Kostenlose Bücher