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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Tür zu seinem Zimmer auf, leuchtet ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht und sagt, er solle sich sofort anziehen.
    Vor den verriegelten Türen des Hauses hat ein verängstigter Nachtwächter gerufen, daß Wanderameisen in einen der Hühnerställe eingedrungen sind, und als sie am Ort des Geschehens eintreffen, sieht er verschreckt, wie Afrikaner mit brennenden Zweigen auf die scheinbar endlosen Ameisenkolonnen einschlagen. Ohne zu zögern übernimmt Judith das Kommando bei dem Versuch, die Ameisen zu einem Richtungswechsel zu bewegen, und brüllt ihn an, wenn er nicht auf Anhieb begreift, was er tun soll.
    »Wer bin ich?« fragt er sie an einem frühen Morgen. »Wer bin ich in den Augen der Schwarzen?«
    »Ein neuer Duncan Jones«, antwortet sie. »Zweihundert Afrikaner suchen in diesem Moment nach deinem schwachen Punkt.«
    Zwei Wochen vergehen, ehe er dem Mann begegnet, den er ersetzen soll. Täglich kommen sie an dem Haus vorbei, in das er sich mit seinen Flaschen eingeschlossen hat und in dem er sich in einen heiligen Mann verwandelt. Das Haus liegt auf einer Anhöhe direkt am Fluß, umgeben von einer hohen Mauer.
    Ein verrosteter Wagen, möglicherweise ein Peugeot, parkt manchmal vor der Mauer, als wäre er eiligst zurückgelassen worden. Die Heckklappe steht offen, aus einer Tür lugt der Zipfel einer schmutzigen Decke.
    Er stellt sich einen Belagerungszustand vor, eine Art Endkampf, den die schwarzen Arbeiter und der einsame weiße Mann, der in der Dunkelheit seines Hauses hockt, ausfechten werden.
    »Die Nachtwächter haben Angst vor ihm«, sagt Judith. »Sie hören ihn nachts grölen. Sie haben Angst, fühlen sich aber gleichzeitig auch sicher. Sie glauben, daß seine Verwandlung in einen heiligen Mann dazu führen wird, daß Banditen einen weiten Bogen um diese Farm machen.
    »Banditen?« fragt Hans Olofson.
    »Sie sind überall«, antwortet sie. »In den Slums der Außenbezirke von Kitwe und Chingola gibt es jede Menge Waffen. Banden bilden sich und werden zerschlagen, neue treten an ihre Stelle. Weiße Farmer werden überfallen, Autos mit weißen Fahrern auf den Straßen gestoppt. Viele Polizisten sind mit Sicherheit selbst daran beteiligt, ebenso wie die Arbeiter auf den Farmen.«
    »Und wenn sie kommen?« fragt er.
    »Ich verlasse mich auf meine Hunde«, antwortet sie. »Afrikaner haben Angst vor Hunden. Außerdem habe ich Duncan, der nachts herumgrölt. Ihr Aberglaube kann ganz nützlich sein, solange man weiß, wie man damit umgehen muß. Wer weiß, vielleicht glauben die Nachtwächter, er würde sich in eine Schlange verwandeln?«
    Eines Morgens also begegnet er Duncan Jones zum erstenmal.
    Hans Olofson überwacht gerade das Beladen eines Lastwagenwracks mit leeren Futtersäcken, als die schwarzen Arbeiter die Arbeit einstellen. Duncan Jones kommt langam auf ihn zu. Er trägt eine schmutzige Hose und ein abgerissenes Hemd. Hans Olofson sieht einen Mann, dessen Gesicht mit Rasiermesserschnitten übersät ist, ein braungebranntes Gesicht mit einer Haut wie gegerbtes Leder, schwere Lider und graues Haar, schmutzig und verfilzt.
    »Gehen Sie niemals pinkeln, ehe nicht alle Säcke aufgeladen und die Hecktür abgeschlossen ist«, sagt Duncan Jones und hustet. »Wenn Sie früher eine Pinkelpause einlegen, müssen Sie damit rechnen, daß mindestens zehn Säcke verschwinden. Sie verkaufen die Säcke für einen
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pro Stück.«
    Er gibt Hans Olofson die Hand.
    »Eins verstehe ich nicht«, fährt er fort. »Warum hat Judith so lange gezögert, sich nach einem Nachfolger für mich umzuschauen? Jeder Mensch muß früher oder später ausrangiert werden. Nur wer vorher stirbt, bleibt davon verschont. Aber wer sind Sie?«
    »Ich bin Schwede«, erwidert Hans Olofson. »Ich bin nur vorübergehend hier.«
    Ducan Jones’ Gesicht verzieht sich zu einem Lächeln, und Hans Olofson blickt in einen Mund voller schwarzer Zahnstümpfe.
    »Warum muß sich eigentlich jeder, der nach Afrika kommt, entschuldigen?« sagt er. »Sogar die Menschen, die hier geboren wurden, sagen, daß sie nur zu Besuch da sind.«
    »In meinem Fall stimmt es wirklich«, entgegnet Hans Olofson.
    Duncan Jones zuckt mit den Schultern. »Judith hat jede Hilfe verdient, die sie kriegen kann«, sagt er.
    »Sie hat Stellenanzeigen aufgegeben«, sagt Hans Olofson.
    »Wen kann sie schon bekommen?« meint Duncan Jones. »Wer zieht schon hierher? Lassen Sie Judith nicht im Stich. Fragen Sie mich nie um Rat, ich kann Ihnen keinen geben. Vielleicht hatte

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