Das Auge des Leoparden
mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagt Mister Pihri.
»Wir sind Ihnen wirklich dankbar«, erwidert Hans Olofson.
»Schwierigkeiten sollte man immer aus dem Weg gehen«, sagt Mister Pihri abschließend, setzt sich hinter das Steuer seines Wagens und fährt davon.
Das Hohelied der Bestechung, denkt Hans Olofson, während er in seinen schummrigen Verschlag zurückkehrt. Ein höfliches und diskretes Gespräch.
Als er die Dokumente durchsieht, die Mister Pihri ihm übergeben hat, erkennt er zu seinem Erstaunen, daß Judith für ihn eine Aufenthaltsgenehmigung als »resident« für die nächsten zwei Jahre beantragt und auch bewilligt bekommen hat.
Spontan reagiert er mit Empörung. Ich werde nicht hierbleiben, denkt er. Ich werde mich nicht von ihren Zukunftsplänen vereinnahmen lassen.
Als er mittags zum Haus zurückkehrt, ist Judith wach, liegt aber noch in seinem Bett. Sie ist blaß und erschöpft und kann nur mit Mühe ein Lächeln andeuten.
Als er ein Gespräch beginnen will, schüttelt sie abwehrend den Kopf. »Später«, sagt sie. »Nicht jetzt. Ich bin zu müde. Luka bringt mir alles, was ich brauche.«
Als Hans Olofson am Abend zurückkehrt, ist sie wieder in ihrem eigenen Zimmer. In dem breiten Doppelbett wirkt sie verlassen. Die Krankheit hat sie kleiner gemacht, denkt er. Ihre Haut ist geschrumpft. Nur die Augen haben sich nicht verändert, sind noch genauso groß und unstet.
»Es geht mir schon wieder besser«, sagt sie. »Aber ich bin sehr müde. Jeder neue Malariaanfall schwächt mich mehr. Ich verabscheue diese Schwäche und daß ich nichts tun kann.«
»Mister Pihri hat uns besucht«, sagt er. »Er hat mir Papiere mit einer Menge Stempel überreicht, und ich habe ihm gegeben, was er haben wollte, fünfhundert Eier.«
»Ewig lächelnd«, meint Judith. »Er ist ein Schurke, einer der schlimmsten, aber zuverlässig. Wenn man mit ihm das Korruptionsspiel spielt, führt es immer zum gewünschten Ergebnis.«
»Er möchte einen Gebrauchtwagen haben. Er hat ein Auge auf einen Peugeot geworfen.«
»Den soll er bekommen, sobald ich eine Aufgabe für ihn habe, die schwer genug ist.«
»Warum hast du für mich eine Aufenthaltsgenehmigung für zwei Jahre beantragt?«
»Soweit ich weiß, kann man keine kürzere beantragen.«
Sie mag krank sein, denkt er, aber sie lügt. Sobald sie wieder gesund ist, muß ich sie fragen, warum. Er verläßt ihr Zimmer, schließt die Tür hinter sich, lauscht an ihrer Tür und hört ihr leises Schnarchen.
Dann bricht er zu einer Expedition durch das Haus auf, zählt die Zimmer, durchquert leerstehende Gästezimmer und bleibt vor einer Tür stehen, die ihm bisher nicht aufgefallen ist. Er befindet sich am Ende eines unvollendet gebliebenen Korridors, und die Tür ist in der holzgetäfelten braunen Wand kaum zu erkennen.
Als er die Klinke herunterdrückt, öffnet sich die Tür, und abgestandener Kampfergeruch schlägt ihm entgegen. Seine Hand streicht auf der Suche nach einem Lichtschalter über die Wand. Auf einmal leuchtet eine nackte Glühbirne an der Decke auf. Er steht auf der Schwelle zu einem Raum, in dem Tiergebeine gelagert sind. Er erblickt einen Oberschenkelknochen, der vermutlich zu einem Elefanten oder Büffel gehört hat, das Skelett eines Krokodils mit langgezogenen Rippen, verschiedene Schädel und Hörner, zum Teil geborsten und durcheinander.
Er malt sich aus, die Tiere wären lebendig in das Zimmer gesperrt worden und dort langsam verwest, bis nur noch Knochen und Schädel übrigblieben.
Das Zimmer ihres Mannes, denkt er. Das versponnene Jungenzimmer eines erwachsenen Mannes. In einer staubigen Fensternische liegt ein Notizbuch. Mühsam entziffert er die Bleistiftschrift und erkennt, daß er poetische Entwürfe vor sich hat. Erregte poetische Fragmente, geschrieben mit einer so schwachen Mine, daß vielleicht niemals die Absicht bestanden hat, die Texte aufzubewahren.
Ein Rucksack voller Ameisen war alles, was man fand, denkt er. Auch das ist Poesie, die Grabinschrift des rätselhaften Verschwindens …
Mißmutig verläßt er den Raum.
Er lauscht noch einmal an Judiths Tür und geht dann in sein Zimmer. Der schwache Geruch ihres Körpers hängt noch in den Laken. Der Abdruck des Fiebers … Ihr Gewehr stellt er neben das Bett. Ohne es zu wollen, übernehme ich bereits eine ihrer Angewohnheiten, denkt er. Schon steht eines ihrer Gewehre an meinem Bett.
Plötzlich sehnt er sich wie ein verlassenes Kind nach Hause. Jetzt habe ich Afrika gesehen,
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