Das Auge des Leoparden
aufnehmen und donnernd in Richtung Sterne entschwinden.
Ihr Abschied ist nüchtern gewesen. Ich hätte jetzt an ihrer Stelle sein müssen, denkt er. Weiß Gott, ich hätte derjenige sein müssen, der endlich dieses Land verläßt.
Er übernachtet in dem Hotel, in dem er sich ein Jahr zuvor versteckt hat. Verblüfft entdeckt er, daß er das gleiche Zimmer bekommen hat wie damals, Nummer 212. Zauberei, denkt er. Ich vergesse immer wieder, daß ich in Afrika bin.
Seine Rastlosigkeit treibt ihn in die Bar hinunter, und er hält nach der schwarzen Frau Ausschau, die ihm damals ihre Dienste angeboten hat. Als die Kellner ihm nicht gleich Beachtung schenken, schnauzt er einen, der untätig an der Theke steht, an. »Was gibt es heute?« fragt er.
»Es gibt keinen Whisky«, antwortet der Kellner.
»Also gibt es Gin? Aber gibt es auch Tonic?«
»Es gibt heute Tonic.«
»Also gibt es Gin und Tonic?«
»Es gibt heute Gin und Tonic.«
Er betrinkt sich und tauft die Farm in Gedanken in
Olofson Farm
um.
Schon nach kurzer Zeit steht eine schwarze Frau an seinem Tisch. In dem schummrigen Licht kann er ihr Gesicht kaum erkennen.
»Ja«, sagt er. »Ich möchte, daß du mir Gesellschaft leistest. Zimmer 212. Aber nicht jetzt, noch nicht.«
Er sieht, daß sie unsicher ist, ob sie an seinem Tisch warten soll oder nicht.
»Nein«, sagt er. »Wenn du mich die Treppe hinaufsteigen siehst, warte noch eine Stunde. Dann komm.«
Als er gegessen hat und die Treppe hinaufgeht, kann er sie nirgendwo entdecken. Aber sie beobachtet mich, denkt er.
Als sie an die Tür klopft, sieht er, daß sie noch sehr jung ist, kaum älter als siebzehn. Aber sie ist nicht unerfahren. Sobald sie das Zimmer betreten hat, besteht sie auf Klärung des Finanziellen.
»Nicht die ganze Nacht«, sagt er. »Ich möchte, daß du nachher wieder gehst.«
»Hundert
kwacha
«, sagt sie. »Oder zehn Dollar.«
Er nickt und fragt, wie sie heißt.
»Welcher Name gefällt dir«, sagt sie.
»Maggie«, schlägt er vor.
»Ich heiße Maggie«, sagt sie. »Heute abend heiße ich Maggie.«
Noch während er mit ihr schläft, empfindet er die Sinnlosigkeit seines Tuns. Jenseits der körperlichen Erregung gibt es nichts außer einem Raum, der allzu lange leergestanden hat. Er atmete die Düfte ein, die ihr Körper verströmt, die billige Seife, das Parfüm, das ihn an etwas Säuerliches erinnert. Er denkt, daß sie wie ein Apfel riecht. Ihr Körper ist wie eine muffige Wohnung, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnere.
Es ist schnell vorbei, er gibt ihr das Geld, und sie zieht sich im Badezimmer an.
»Ich werde ein andermal wieder da sein«, sagt sie.
»Ich mag den Namen Janine«, sagt er.
»Dann werde ich Janine heißen«, antwortet sie.
»Nein«, widerspricht er. »Nie mehr. Geh jetzt.«
Im Badezimmer bemerkt er, daß sie das Toilettenpapier und seine Seife mitgenommen hat. Sie stehlen, denkt er. Wenn sie könnten, würden sie uns das Herz aus dem Leib schneiden.
Am Abend des nächsten Tages ist er zurück auf der Farm.
Er ißt das Abendessen, das Luka für ihn zubereitet hat.
Ich werde diese Farm anders führen, denkt er. Durch mein Beispiel werde ich das gebetsmühlenartig wiederholte Argument von der Unentbehrlichkeit der Weißen aus der Welt schaffen. Ich werde einen Schwarzen zu meinem Stellvertreter ernennen, eine eigene Schule für die Kinder meiner Arbeiter einrichten und ihnen nicht nur dann beistehen, wenn es um ihre Beerdigung geht.
Im Moment sind die unterbezahlten und ausgelaugten Arbeiter die Wahrheit über diese Farm oder die von Ruth und Werner. Judiths Guthaben auf europäischen Banken besteht aus Löhnen, die nie ausbezahlt wurden.
Ich werde diese Farm verändern, und die Schule, die ich aufbaue, werde ich Janine widmen. Wenn ich diese Farm eines Tages verlasse, wird sie an den Augenblick erinnern, an dem die Vorstellungen der weißen Farmer endgültig widerlegt wurden.
Gleichzeitig ist ihm bewußt, daß er auf einen Schlag ein wohlhabender Mann geworden ist. Die Farm ist ein Vermögen wert. Selbst wenn er die Löhne der Arbeiter verdoppelt, werden die Hühner ihre Eier immer noch direkt in seine Taschen legen …
Er kann den nächsten Morgen kaum erwarten, geht durch das stille Haus, bleibt vor den Spiegeln stehen und betrachtet prüfend sein Gesicht. Er stößt einen Schrei aus, der durch das leere Haus hallt.
Im Morgengrauen schließt er die Tür auf. Dünne Nebelschwaden treiben über dem Fluß. Luka wartet ebenso im Freien wie
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