Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
ihn zur Strecke und verschaffen meinen Knochen ein anständiges Begräbnis - und das ist dann der Abschied?“
    Er blickte von mir zu Luca hinüber, der Tatjana gerade mit seinem heilen Arm in den Pool warf. Sie kreischte hysterisch. Es platschte laut, Wasser spritzte auf. „Verteidige mich, Winky! Auf ihn! Fass!“
    „Dein Wachhund taugt nichts“, stellte Luca zufrieden fest.
    „Winky! Rette mich!“, rief Tatjana.
    Verzweifelt rannte die kleine Hündin am Beckenrand auf und ab, während Luca sich schlapplachte.
    „Er braucht die Millionen nicht, um glücklich zu sein“, sagte Rico.
    „Nein“, musste ich zustimmen, „wohl nicht. Vielleicht ist es für ihn besser, wenn alles bleibt, wie es ist.“
    Aber durften wir denjenigen, der Rico umgebracht hatte, einfach ungeschoren davonkommen lassen? Und hatte Luca nicht ein Recht darauf, zu erfahren, wo er herkam und wer seine richtigen Eltern waren? Dies war sein Schloss und sein Garten und sein Pool.
    Es war nicht fair, ihm das vorzuenthalten. War das nicht dasselbe wie Diebstahl?
    Aber was war schon fair? War es etwa fair, Rico das Wenige an Existenz wegzunehmen, das er noch besaß?
    „Was sollen wir bloß tun?“, fragte ich leise.
    Das entscheiden zu müssen, war schrecklich. Vor allem, da ich die Erbin war, fiel mir siedend heiß ein. Lucas Identität war ungeheuer viel Geld wert. Es bedeutete mir nichts, ob ich die ganze Firma bekam oder bloß die halbe, aber wer außer Rico hätte mir das geglaubt?
    „Du musst dieses Haus erben“, sagte er. „Sonst kannst du nicht bei mir sein. Ich glaube, der Himmel hat dich mir geschickt.“
    Möglicherweise hatte ich die Gabe, ihn zu sehen, aber auch nur erhalten, damit endlich die Wahrheit ans Tageslicht kam. Dann war es ein Auftrag, sozusagen, von ganz oben.
    Dummerweise hatte ich keine Lust, ihn auszuführen. Mein Herz blutete wegen dem, was man dem kleinen Enrico angetan hatte, aber ich wollte den schönen großen Jungen mit dem schmerzhaften Lächeln nicht verlieren.
    „Könnten wir nicht einfach alle zusammen sein?“, fragte ich. „Du und Luca und Tatjana und ich?“ Wenn sie erst beide daran glaubten, konnte ich das, was Rico sagte, den anderen mitteilen, als Übersetzerin quasi. Wir würden eine Menge Spaß haben. Und alle schwierigen Fragen würden irgendwie von selbst verschwinden.
    Aber ich ahnte schon, dass es nicht so einfach werden würde.

    „Du hast es Luca nicht gesagt“, stellte ich fest.
    Tatjana ließ sich rückwärts aufs Bett fallen. „Das hätte die Stimmung total verdorben.“
    Ich wollte sie nicht merken lassen, wie erleichtert ich war. „Wir sollten noch eine Weile damit warten“, meinte ich. „Bis … bis wir geklärt haben, was wirklich passiert ist.“
    „Was wohl?“, fragte sie. „Dein Onkel war’s. Der lächelt immer viel zu viel.“
    Winky schlug an, sobald es an die Tür klopfte.
    „Das ist er.“ Tatjana duckte sich unwillkürlich.
    Sie hatte recht. Onkel Vincent steckte den Kopf ins Zimmer. „Hey, Mädels. Kannst du den Köter mal kurz zum Schweigen bringen, Marie-Sophie? Ich hab mir extra den Abend freigeschaufelt. Lust auf einen Film oder ’ne Runde Karten?“
    Meine Freundin warf mir einen Blick zu, der besagte: Siehst du. Er will uns in Sicherheit wiegen. Alles nur gespielt.
    Am liebsten hätte ich sie gepackt und geschüttelt. Onkel Vincent wollte nur nett sein. Schließlich war ich hier, damit wir einander kennenlernten.
    „Klar doch“, sagte ich.
    „Können Sie Poker?“, fragte Tatjana. Natürlich, sie wollte überprüfen, ob er gut bluffen konnte.
    „Ich spiele aber nicht um die Firma“, sagte er lachend, und ich ertappte mich dabei, dass ich versuchte, in seinem Lachen etwas Falsches auszumachen. Warum ähnelte dieser Mann bloß so sehr meinem Vater, aber mit den Eigenschaften, die ich an meinem Erzeuger vermisste? Was hätte ich um so einen Vater gegeben! Gut gelaunt, offen und herzlich, ohne die Düsterkeit, die immer auf unserer Familie lag und einem die Luft abschnürte. Eigentlich hätte es besser gepasst, wenn wir zu Hause einen Geist gehabt hätten und nicht Onkel Vincent.
    „Ich kann kein Poker“, gab ich zu.
    „Ich auch nicht“, bekannte Tatjana. „Aber ich wollte es schon immer mal lernen.“

    Was ist gruseliger - sich in einen Geist zu verlieben, in ein ermordetes Kind, oder mit einem Onkel Karten zu spielen, den die beste Freundin für einen Mörder hält? Eine seltsame Spannung lag in der Luft. Sabine schaute irritiert von einem zum

Weitere Kostenlose Bücher