Das Auge des Sehers (German Edition)
nicht», schränkte Liechti augenzwinkernd ein. «Darf ich mich setzen? Ich war gestern Abend squashen und habe mir dabei den Fuss verknackst.»
Borer setzte sich dazu, als ob es das Normalste auf der Welt wäre.
«Ich verfolge Ihre ausserordentliche Karriere seit geraumer Zeit, Herr Liechti. Was sind Ihre nächsten Pläne?»
«In Kuala Lumpur planen wir für Ashton einen neuen Büroturm.»
«Tja, die Hightechfirmen schiessen wie Pilze aus dem Boden. Ich habe davon gehört.»
«Dann laufen einige Projekte in ganz Europa.»
«Es ist schön, so begehrt zu sein.»
«Ich will mich nicht beklagen, Herr Borer. Es gehört halt immer auch etwas Glück dazu.»
Borer schaute auf die Uhr.
«Oh, schon zehn durch. Ich will Sie nicht weiter stören, meine Herren. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Herr Liechti.»
«Nennen Sie mich Yvo. Die Freunde meiner Freunde sind auch meine Freunde.»
«Es ist mir eine Ehre. Ich heisse Jakob.»
Hoch erhobenen Hauptes verliess der Staatsanwalt das Büro.
«Was macht ein Staatsanwalt eigentlich genau, Francesco?»
«Er geht einem auf den Wecker. Und, wenn sich eine berühmte Person im Umkreis von hundert Meter befindet, saugt er sich an ihr fest.»
Liechti lachte herzhaft.
«Hat er nicht für den Nationalrat kandidiert?»
«Ja, aber ziemlich erfolglos. Möchtest du einen Kaffee?»
«Ich komme eben vom Kaffeetrinken mit Studer. Deshalb bin ich auch hier.»
Ferrari rief Nadine zu sich ins Büro.
«Hallo, Nadine.»
«Hallo, Yvo.»
«Oje! Schlechte Laune?»
«Neugierige Typen wie der da versauen mir das Leben. Und jetzt fängt Borer auch noch an. Das fehlt mir gerade noch», murrte Nadine.
«Am besten, du schenkst dem Ganzen gar keine Beachtung.»
«Du hast dich mit Studer unterhalten, Yvo?», lenkte Ferrari ab.
«Von Kollege zu Kollege. Viel ist dabei nicht herausgekommen. Mit der Überbauung hat er sich anscheinend ein Ei gelegt. Der Aushub läuft nämlich nicht nach Plan, denn von irgendwoher sickert Wasser in die Baugrube. Solange sie das nicht eindämmen können, gehts mit dem Bau nicht vorwärts. Studer steht unter ungeheurem Zeitdruck. Es muss vorwärts gehen, sonst werden Konventionalstrafen fällig. Entsprechend gross ist sein Gejammer.»
«Weisst du, wie es zur Vergabe kam?»
«Es lief anscheinend ziemlich komisch ab. Der Bau wurde ausgeschrieben. Das ist bei der Grössenordnung ganz normal. Der Investor wünschte ausdrücklich, dass auch regionale Firmen anbieten. Du kennst übrigens den Investor, Francesco.»
«Francesco kennt jeden in Basel», spottete Nadine.
«Da bin ich aber gespannt.»
«Es ist Anna.»
«Anna?»
«Na ja, nicht sie persönlich, sondern die Grävenitz Immobilien AG. Zum Schluss blieben noch drei Konsortien übrig. Eine aus der Ostschweiz, eine aus dem süddeutschen Raum und jene mit diesem Mangold, für die sich Studer nach einem längeren Gespräch auch entschied. Mangold hatte ihm einen sehr guten Eindruck gemacht, argumentierte offenbar glaubwürdig, dass er und seine Partner über ausreichende Kapazität verfügen. Es war auch davon die Rede, dass er im Notfall Körner mit ins Boot holen würde. Das gab den Ausschlag.»
«Schön und gut, aber Mangold erhielt den Zuschlag ja gar nicht.»
«Das begreift Studer noch heute nicht. Trotz seiner Empfehlung teilte ihm die Grävenitz Immobilien AG wenig später mit, dass die Ostschweizer den Zuschlag erhalten würden.»
«Ist es üblich, dass der Bauherr so etwas entscheidet?»
«Mir ist das noch nie passiert. Letztendlich muss ich ja mit den Leuten zusammenarbeiten. Wie gesagt, Studer war sehr erstaunt, fügte sich aber, denn er wollte den Auftrag unter keinen Umständen verlieren.»
«Und die Begründung?»
«Keine. Frei nach dem Motto: Wer bezahlt, befiehlt.»
«Gibt es eine Verbindung von Grävenitz zu Nostramo?»
«Ich wusste, dass ihr das fragt, Nadine», schmunzelte Liechti. «So wie man sich als Nachbarn eben kennt, würde ich sagen. Anna ist nie bei uns in der Zentrale aufgetaucht und ich bin ziemlich sicher, dass Arian nichts mit Anna am Hut hatte. Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass sich Anna fürs Geschäft interessiert. Dafür ist ein Martin Kobel zuständig, er leitet die Grävenitz Immobilien AG.»
«Den kennen wir sicher auch, oder, Francesco?»
«Leider nein, ich muss dich enttäuschen.»
«Mir ist er auch nicht bekannt. Paul Studer erwähnte seinen Namen.»
«Du hast nicht zufälligerweise noch etwas über Holzer Invest in Erfahrung gebracht,
Weitere Kostenlose Bücher