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Das Auge von Tibet

Das Auge von Tibet

Titel: Das Auge von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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chinesischen Arzt um Hilfe bitten. Nikki wußte, wie wichtig es für Jakli war, die Tradition zu befolgen und der Familie der Braut wenigstens ein weißes Pferd zu schenken. Um Jakli und Akzu zu ehren. Und auch Jaklis verschollenen Vater. Früher hätte es zahlreiche Pferdegeschenke auch von Freunden und Cousins gegeben. Einmal habe ich bei einem nadam zweihundert weiße Pferde gesehen.«
    »Demnach bekommt also Akzu die Pferde«, sagte Shan. Akzu, dessen Clan aufgelöst und dessen Herden an die Regierung ausgeliefert wurden. »Aber Jakli und Nikki gehen weg. Verlassen China. Fliehen nach Amerika. Deshalb macht sie sich keine Sorgen mehr wegen Anklägerin Xu, sondern ist nur noch wütend auf sie. Aber wie? Von Aksai Chin aus?«
    Marco gab wieder einen seiner Knurrlaute von sich. »Stellen Sie keine Fragen, die ich nicht beantworten kann.«
    »Es geht nicht mehr um Lau, sondern um Jaklis und Nikkis Sicherheit«, sagte Shan. »Und um die Jungen und den Clan des Roten Steins.«
    Marco legte beide Hände auf die Brustwehr und schaute hinaus auf die mondbeschienenen Berge. »Na gut«, seufzte er. »Eine besondere Route. Narrensicher. Sie kann nur einmal benutzt werden. Per Boot.«
    »Aber die Flüsse sind nicht schiffbar«, wandte Shan irritiert ein.
    »In der Raketengegend werden immer noch Arbeiter mit dem Aushöhlen von Bergen betraut. Strafgefangene - zumeist Kasachen, Tibeter und Uiguren. Zweimal im Monat werden sie mit Bussen an ihre Arbeitsstellen verlegt. Es existiert ein großes Bauprojekt am Ende der Straße, jenseits des Hauptstützpunkts im tibetischen Rutog.«
    Shan hatte von Rutog gehört. Es lag etwa zweihundert Kilometer von Xinjiang entfernt, nahe der indischen Grenze. Eine Nuklearzone, eines der Raketenzentren.
    »Dort gibt es ein Dorf namens Ramchang, am Ufer eines rund dreißig Kilometer langen Sees. Die Grenze zu Indien, die wirkliche Grenze, verläuft genau durch diesen See.«
    »Dann muß die Armee dort Überwachungsmaßnahmen getroffen haben.«
    »Gewiß. Jede Menge Elektronik, weil die Region so wichtig ist. Sie wissen schon, falls die Inder plötzlich auf die Idee kommen sollten, mit einem Schlachtschiff anzugreifen. Aber wir kennen dort einen Mann, einen tibetischen Jäger, der sich weiterhin in dem Grenzbezirk aufhalten darf, weil seine Tochter auf eine besondere Parteischule in Lhasa gegangen ist.«
    »Eine Geisel.«
    »Genau. Leider hat niemand in Lhasa daran gedacht, der Armee mitzuteilen, daß seine Tochter vor einigen Monaten bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Jetzt hält ihn nichts mehr dort, und er braucht etwas Geld.«
    »Selbst wenn er Sie über den See bringt, könnte die Armee Sie aufspüren.«
    »Er hat Tarnboote«, sagte Marco und klang dabei leicht belustigt. »Runde Fellboote aus geflochtenen Weidentrieben und Yakhaut. Für das Radar sind sie unsichtbar. Es funktioniert tatsächlich.«
    »Das heißt also, daß die purbas sie benutzen«, sagte Shan.
    »Ein Junge namens Mao ist auch schon auf diese Weise gereist, mit einigen wissenschaftlichen Proben. Die purbas haben eigene Transportmittel. Wir nehmen die Panda-Boote.«
    »Panda-Boote?«
    »Das ist sein Preis. Ein Gold-Panda pro Boot mit maximal vier Leuten darin.«
    Shans Hand krallte sich in die Steinmauer vor ihm. »Tante Lau«, flüsterte er. »Lau wollte ebenfalls fliehen.«
    »Es war wegen Nikki und Jakli. Ich habe es arrangiert. Als Teil meines Geschenks für ihr neues Leben.«
    »Aber Nikki und Jakli reisen nach Amerika.«
    Marco seufzte. »Zunächst war das gar nicht klar. Aber dann haben sie die Amerikaner getroffen. Diese Warp ist für Jakli ebenfalls zu einer Art Tante geworden. Warp wollte mit ihrem Sohn abreisen, um mit der Arbeit an ihrem Buch zu beginnen und den Jungen wieder auf eine amerikanische Schule zu schicken. Die Maos waren bereits mit der Vorbereitung beschäftigt. Dann hat Jakli mit Warp gesprochen, Warp hat sich an die Maos gewandt, und die Maos kamen zu mir. Kurz darauf war auch für Nikki und Jakli ein Panda-Boot reserviert. Dann haben Warp und Deacon angeboten, daß Nikki und Jakli bei ihnen wohnen sollten. Nikki wollte eigentlich nach Alaska, um dort ein Blockhaus zu bauen, damit ich irgendwann nachkommen kann. Aber Warp sagte, zuerst sollten sie an ihre Universität kommen. Dort würde sie ihnen Geld verschaffen, damit sie bei der Übersetzung und Deutung der Forschungsergebnisse behilflich sind. Die Maos wollen es inzwischen auch - sie sagen, Jakli könne in Amerika Reden halten und

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