Das Baby vom Deich
Interesse scheint die Großmutter nicht an ihrem Enkelsohn zu haben, wie man hört. Sie erkundigen sich da vom Jugendamt ebenfalls, und wenn da nichts passiert, kommt er zu Pflegeeltern."
"Zu dir?"
"Unwahrscheinlich, da ich keine Frau habe. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn am liebsten sofort adoptieren, nur das geht natürlich nicht. Da wieder - Gesetze."
"Zweimal Eike Klaasen finde ich freilich blöd. Ich frage mich immer, wenn ich höre, dass der Junge den gleichen Vornamen wie der Vater hat, ob den Eltern kein Name eingefallen ist."
"Er würde garantiert bei mir nicht Eike heißen, obwohl mir mein Name sehr gut gefällt."
"Wie würde er heißen?"
Eike überlegte eine Weile. "Torben. Torben Klaasen. Ja, hört sich gut an."
"Gefällt mir auch."
Eike stand auf, blickte auf die Uhr. "Ich denke, wir können gehen."
Er holte einen Stapel Wäsche ab, öffnete wenig später leise die Tür, legte den Stapel auf den Tisch. Er schaute dazwischen und steckte das Röhrchen ein. Er trat neben den Kollegen, blickte auf das schlafende Baby. Da war das warme Gefühl sofort da. Zu gern hätte er ihn gestreichelt, aber er hielt sich zurück, schaute ihn nur an.
Nach einigen Minuten verließen sie das Krankenhaus.
"Sag, was soll denn der große Teddy dort? Das ist ja ein Riesenvieh."
"Sein Bodyguard", amüsierte sich Eike. "Fahren wir zu der Reinigungs- kraft von den Strehler´s. Sie hat am Montag dort geputzt. Mal sehen, was sie erzählt. Hauspersonal weiß mitunter erstaunlich viel."
Die 50-jährige Frau entschuldigte sich, da sie vorher krank gewesen sei. Sie sah selbst heute noch sehr blass aus.
Sie schilderte, dass sie Silke nie getroffen habe, da die zu der Zeit in der Schule gewesen sei. Das Geld hätte wie zuvor auf dem Wohnzimmertisch gelegen, da Frau Strehler meistens an den Vormittagen nicht zuhause sei. Von der Schwangerschaft hatte sie nichts gewusst. Im Haus Strehler sei es wie sonst gewesen, nur dass es etwas weniger Arbeit gab. Nein, von Partys wusste sie nichts und das hätte Silke nie getan, weil die so ein liebes Kind gewesen sei. Sie hätte montags nie Flaschen, Geschirr, Gläser oder dergleichen vorgefunden, noch sei es besonders schmutzig oder unaufgeräumt gewesen. Das Blut im Bad hatte sie mit diesem Frauenleiden, was eben Frauen jeden Monat haben, in Verbindung gebracht oder Silke hätte sich verletzt. Die paar Tropfen habe sie weggewischt.
"Den Besuch hätten wir uns sparen können. Suchen wir die Schwägerin des Strehler´s auf. Folgend den Bruder, falls der nicht zu Hause ist."
"Bei wem ist Silke immer an den Vormittagen gewesen, wenn die Putze da war?"
"Gute Frage! Sie wird sich kaum dreimal wöchentlich stundenlang in irgendwelchen Geschäften herumgetrieben haben. Selbst als sie hochschwanger war, ist sie irgendwo gewesen und am dem Freitag nach der Geburt ebenfalls. Da werden wir nachforschen müssen."
Doris Strehler, eine farblose Blondinne, wie Eike feststellte, wirkte wie sechzig, aber nicht wie Mitte vierzig.
"Ach, das ist ja so schlimm", stöhnte sie, während sie vor den Männern ins Wohnzimmer tippelte. Ein merkwürdiger Gang, amüsierte sich Eike.
"Frau Strehler, Sie haben ja in den vergangenen Monaten für Silke gesorgt. Wie ..."
"Nein, wie kommen Sie denn darauf?"
"So haben wir das von den Eltern gehört. Ihr Mann und Sie wollten sich um das Mädchen kümmern, da sie schließlich erst sechzehn war. Sie ist Ihre Nichte und zudem wohnen Sie fast nebenan. Etwas Selbstverständ- liches kann man das nennen."
"Das wollte Silke nie, da sie sehr selbstständig war."
"Trotzdem ein minderjähriger Teenager und da haben immer noch Erwachsene das letzte Wort. Da kann man wohl kaum erwarten, dass ein Mädchen allein kocht, sich um alle anderen Dinge kümmert."
"Sie war sehr weit entwickelt. Was soll das? Wollen Sie mir etwa die Schuld zuschieben, dass die tot ist?"
Eike lehnte sich vor, blickte die Frau kalt an. "Das wird zu prüfen sein. Sie hatten monatelang die Verantwortung für Silke und haben sich nicht darum gekümmert. So etwas nennt man Vernachlässigung und das ist strafbar. Sie haben nicht bemerkt, dass dort gefeiert wurde, haben nicht eingegriffen? Sie haben nicht bemerkt, dass sie nicht in die Schule ging? Sie haben nicht dafür gesorgt, ob sie etwas Warmes zu essen bekommt? Sie haben sich nicht um sie gekümmert, dass, obwohl sie schwanger war? Das interessiert die Behörden schon. Wie Sie damit leben können, dass Sie durch Ihr liebloses Verhalten eventuell an ihrem Tod
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