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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Restaurator biss die Zähne zusammen, schaute so unbeteiligt wie möglich, höchstens mit einer Spur höflichem Interesse.
    Schließlich schüttelte der Bassist den Kopf. »Wir müssen diese Stellen prüfen.« Misstrauisch sah er sich über die Schulter um. »Sind die Schüler verbraucht?«, fragte er leise.
    »Die Kinder sind nicht mehr da, wenn Sie das meinen«, sagte der commandante . »Vermutlich haben sie wieder Unterricht. In Ihrem Land haben Sie doch die Ganztagsschule, so weit ich weiß?«
    »Haben wir«, murmelte der Musiker. »Geben Sie mir die Gitarre?«, wandte er sich an Amadeo.
    Der Restaurator war froh, dass er das Ungetüm endlich loswurde. Styx hatte sein Möglichstes getan, sich unkenntlich zu machen, indem er sich aus Amadeos Gepäck bedient, ein zwei Nummern zu großes Sakko und eine Baseballkappe übergestreift hatte, doch wenn die Schüler ihnen mit der Klampfe in der Hand gesehen hätten, wären ihnen wohl trotzdem die Augen aufgegangen. Dead Art , der Name von Styx’ Band, sagte selbst Amadeo etwas. Ein Auflauf jugendlicher Rockfans war das Letzte, was sie im Moment gebrauchen konnten.
    Der Bassist schaute sich noch einmal prüfend um, dann öffnete er vorsichtig den Reißverschluss des Koffers. Amadeo hatte bereits Händels Brevier zum Vorschein gebracht und zu der Stelle vorgeblättert, an der die Babylonier sich auf der Reise befanden from Bukhara to Samarkand und weiter, zu einem geheimen Ort, der möglicherweise in Afghanistan lag.

    Diesen Ort würde Händels Komposition ihnen nicht verraten, und doch war sie ihre einzige Chance, ihn überhaupt zu finden. Weil irgendwo in dieser Partitur ein anderer Ort verborgen lag, jener Ort, an dem Händel sein Depot versteckt hatte, die nächste Station der babylonischen Überlierung, und von da aus …
    »Ich glaube nicht, dass Händel einen Ort verzeichnet hat.« Styx’ Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
    Amadeo blinzelte. »Nicht? Sie sagen doch eben …«
    Der Bassist schüttelte den Kopf. »Ich glaube, dass er eine Route verzeichnet hat und dass der Beginn von dieser Route genau hier ist, an diesem Palais, weil …« Probehalber zupfte er an einer Saite seiner Gitarre, zog sie dann über die Wirbel am Kopf des Instruments etwas straffer an. »Weil es hier ertönt … From Bukhara-haha-ha-ha-ha-ha-ha-ha …« Styx trug die Silben seltsam stockend vor, folgte dem schwindelerregenden Auf und Ab der Melodie sehr viel langsamer als am Mittag in der Lagerhalle. Allerdings blieb ihm wohl auch kaum etwas anderes übrig: Bei den Griffen, die seine Finger auf den Bünden der Gitarre ausführten, hätte ein normaler Mensch sich sämtliche Finger gebrochen.
    »Damn!« Ächzend schüttelte der Bassist seine Hände aus. »Händel hat das nicht für die Gitarre komponiert eindeutig. Es ist kaum zu erkennen, fürchte ich.«
    Betreten sah Amadeo ihn an. Styx fürchtete zu Recht.
    Der Bassist seufzte. »Die Melodie ist ähnlich zu einer Passage aus Händels Belshazzar , wenn Sie lauschen. Eines von seinen schönsten Oratories, das handelt vom König von Babylon, der eine große Party veranstaltet hatte in seiner Halle, als da kam die Hand von Gott, die hat geschrieben an der Wand … Mr Fanelli?«
    Amadeos Kinnlade war der Schwerkraft gefolgt, Zentimeter
um Zentimeter. »Belshazzar?«, röchelte er. »Belsazar? Me … me … «
    » Mene mene tekel «, half ihm der commandante . »Das Buch vom Propheten Daniel, fünftes Kapitel.« Seine Augen wurden so schmal, dass das Weiße nicht mehr sichtbar war. »Was hat es damit auf sich? Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen.«
    »Kein Gespenst«, sagte Amadeo heiser. Er starrte die beiden Männer an. Nein, weder mit einem Rebellenführer aus Südamerika noch mit einem händelbesessenen Gothicrocker wollte er die Erinnerung an seinen Albtraum teilen. Belsazar! Wieder einer seiner Träume, der auf völlig unvorhersehbare Weise Wirklichkeit geworden war! Einzig das zweite Element stand noch aus, die flüsternde Dunkelheit um seine Füße. Instinktiv wich Amadeo einen, zwei Schritte zurück, bis er mit dem verlängerten Rückgrat unsanft gegen die Balustrade stieß.
    Das brachte ihn wieder ansatzweise zur Besinnung.
    »Belshazzar«, stellte er fest. »Ah ja. Der Harmonische Hufschmied - und nun Belshazzar. Sehr interessant. Sehr interessant.«
    »You’re okay?« Der Zweifel des Bassisten war deutlich.
    »Bestens.« Amadeo nickte eifrig. »Bestens.«
    »Well …« Styx hob die Schultern. »Belshazzar, wie

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