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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Ludwig XIV., bis Versailles hat es so etwas nicht wieder gegeben. Eine ganze Landschaft, ausgerichtet auf den Willen und das Ego eines einzigen Menschen.«
    »Stattlich«, murmelte der commandante einsilbig. Oder wenigstens zweisilbig, dachte Amadeo, aber das war schon das Höchste der Gefühle. »Darf ich jetzt landen?«, brummte Duarte. »Ich hab in London vollgetankt, aber viel Sprit haben wir nicht mehr.«
    Amadeo nickte stumm. Der commandante sah ihn nicht an, schien es aber zu spüren - oder es war ihm egal.
    Einer der Vorteile der ME 108, erinnerte sich Amadeo, bestand darin, dass sie praktisch überall zu Boden gehen konnte. Bis zu diesem Augenblick hatte er den Gedanken beiseitegedrängt, wie dieses praktisch unter Praxisbedingungen aussehen würde.
    Der Vorkriegsvogel namens Che hatte zuletzt in gefälligen
Bögen über der waldigen Hügelkuppe gekreist, auf deren höchstem Punkt sich das Kastell erhob. Während Amadeo fasziniert den unglaublichen Blick genossen, in den brunnenschachtartigen, menschenleeren Innenhof gestarrt und sich die bange Frage gestellt hatte, ob Görlitz ihnen womöglich bereits zuvorgekommen war und sie nun mit gezogener Waffe erwartete … währenddessen hatte Duarte Zeit gehabt, nach einem Landeplatz Ausschau zu halten. Der commandante lenkte den Flieger jetzt ein Stück nach Norden, wo das Häusermeer der Stadt Andria in den Blick kam und entfernt am Horizont die ansichtskartenblaue Weite des adriatischen Meeres.
    Doch schon drehte er nach links, hinaus auf die wellige Ebene mit ihren verstreuten Gehöften und kleinen Siedlungen, ihren Feldern und Obstbaumpflanzungen, verengte die Kurve allmählich und ging gleichzeitig tiefer, bis direkt vor ihnen wieder der Hügel mit dem Castel sichtbar wurde, im Hintergrund bereits die raueren Gipfel der Basilicata.
    Was nicht sichtbar wurde, war eine Landepiste.
    Es war ein heller, aber windiger Tag. Hoch oben in der freien Luft war wenig zu spüren gewesen von irgendwelchen Turbulenzen, doch je tiefer die Messerschmitt sank, desto heftiger erwischten die Windstöße den aluminiumverkleideten Rumpf. Schon auf dem Weg nach London hatte Duarte begonnen, über die Entstehungsgeschichte des Flugzeugtyps zu plaudern: Die Messerschmitt war bewusst leicht konstruiert. Das erhöhte die Reichweite und Geschwindigkeit der Maschine und erlaubte eine höhere Zuladung an Passagieren und Gepäck.
    Duarte und Amadeo waren nur zu zweit, und der Restaurator hatte gerade mal Wäsche zum Wechseln dabei.
    Eine unerwartete Böe trieb den Flieger meterweit nach rechts, drückte ihn gleichzeitig unsanft nach unten.

    »Sie wissen, was Sie tun?«, erkundigte sich Amadeo nervös.
    »Kurbeln?«, fragte Duarte zurück.
    Der Restaurator brauchte einen Moment, bis er begriff, dass der commandante nicht sein eigenes Vorhaben beschrieben, sondern eine Anweisung erteilt hatte. Hektisch packte er die Kurbel, mit der man das Fahrwerk der Messerschnitt zum Vorschein brachte.
    Wozu ein Fahrwerk?, dachte er unruhig. Wozu ein Fahrwerk, wenn die Piste noch nicht mal in Sicht ist?
    Kurbelnd reckte er den Hals, um über Ches stumpfe Nase hinweg im Auge zu behalten, wohin Duarte den Vogel steuerte. Noch immer keine Piste. Olivenhaine, brachliegende Felder, ein Bauernhof. Menschen waren nicht zu sehen. Eine Landstraße, auf der sich ein einsames Fahrzeug bewegte - in leichten Schlangenlinien. Vielleicht hatte der Fahrer versucht, der grippalen Bedrohung mit Grappa entgegenzuwirken - oder aber er befand sich bereits im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit. Jedenfalls schien er Mühe zu haben, den unvorhersehbaren Kurven und Wendungen des Asphaltbandes zu folgen. Erst ein Stückchen voran, auf den Hügel mit der Schlossanlage zu, lief die Straße für ein paar hundert Meter annähernd gerade wie eine …
    »Porca miseria! Sie wollen doch da nicht landen!«
    »Kurbeln!«, brummte der commandante aus zusammengebissenen Zähnen.
    Olivenhaine links und rechts, dann, unvermittelt, wieder direkt unter ihnen. Das Schütteln und Rütteln nahm zu, je näher sie dem Erdboden kamen.
    »Sie können unmöglich unter diesen Bedingungen …«
    »Kurbeln!«
    Für einen Moment befanden sie sich wieder unmittelbar über dem Asphalt. Das Laub der Olivenbäume war verwischtes,
fahles Grün zu beiden Seiten, wenige Meter vom Straßenrand. Welche Spannweite hatte die Messerschmitt von Flügelspitze zu Flügelspitze? Keuchend drehte Amadeo an seiner Kurbel, bis er mit einem harten metallischen Laut auf

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