Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
geworden.
    »Sie lassen niemanden rein!«, schärfte der commandante ihm ein. »Diese Leute sind gefährlich.«
    Die Atemmaske des Dicken blähte sich. Er bekam den Mund nicht wieder zu.
    »Kann ich mich auf Sie verlassen?«, bohrte Duarte nach.
    Der Mönch schüttelte verständnislos den Kopf, sah den Blick des commandante , nickte ruckartig. »Ja … Ja …« Er zögerte. »Seine Heiligkeit hat tatsächlich von mir …?«
    »Diese Dinge werden selbstverständlich noch von einer apostolischen Kommission zu prüfen sein«, erklärte Amadeo.
    Der Dicke nickte. »Ich … Selbstverständlich stehe ich zur Verfügung, falls es Fragen gibt. Ich … fra …« Er schluckte. »Bitte merken Sie sich den Namen: fra Angelico. Aber nicht …«
    Amadeo und sein Begleiter waren bereits weiter, einen spärlich beleuchteten Flur hinab. Von irgendwo ertönte der dumpfe Ton der Türglocke, doch der Mönch machte keine Anstalten, sich von der Stelle zu rühren.
    »Aber nicht der fra Angelico, der schon tot ist«, murmelte er.

    »Was war das?«
    Duartes Stimme war ein Flüstern. Er hielt sich drei Schritte hinter Amadeo, der im Vorübergehen nach neuen Hinweisschildern spähte. Fra Angelico hatte nicht gelogen: Das Felsenheiligtum war gegenwärtig geschlossen. Dass der Weg dennoch ausgeschildert war, auf handgeschriebenen Schildchen, war ein hübscher Service. Ein Service für die Bauarbeiter vermutlich.
    Amadeo erlaubte sich nicht, langsamer zu werden. Er war sich einigermaßen, aber nicht hundertprozentig sicher, dass der Dicke die Tür geschlossen halten würde.
    »Eitelkeit der Eitelkeiten, spricht der Prediger«, murmelte er. »Alles ist eitel. Der eine hält sich für den größten Geist seiner Zeit, der andere wittert die eigene Heiligsprechung. Ich hoffe nur, Angelico ist nicht zu sehr darauf aus.«
    »Zu sehr?« »Wenn Görlitz und seine Freunde ihre Pistolen auspacken, könnte er auf den Gedanken kommen, seine Heiligenlaufbahn mit dem Märtyrertod zu krönen - und doch noch die Tür aufmachen.«
    »Fünf Cent für Ihre Gedanken«, brummte der Mann in der Soutane. »Und meinen Respekt für Ihre Einfälle. - Aber in der Hölle werden Sie direkt neben Ihrem Kaiser Platz nehmen.«
    »Ist das ein Versprechen?« Amadeo hörte nur mit halbem Ohr hin. Ein krakeliger Schriftzug wies nach links um die Ecke, doch noch bevor sie die Abbiegung erreicht hatten, war ein rotweißes Absperrband zu erkennen.
    »Er kommt uns nicht nach?«, fragte der Restaurator, ohne sich umzusehen.
    Duarte schüttelte den Kopf, hob das Band und ließ Amadeo durchschlüpfen, bevor er nach einem letzten, sichernden Blick folgte.

    Der neue Flur war unbeleuchtet. Amadeo drückte probehalber auf einen Schalter. Kein Strom.
    Eine Sekunde später erhellte ein Lichtkegel den Gang. Der Restaurator atmete auf. Er hatte sich mehr oder minder darauf verlassen, dass der commandante eine Taschenlampe dabeihatte.
    Ein paar Treppenstufen, dann wieder ein Stück geradeaus, neue Stufen - und eine Tür. Duarte zog seine Pistole, visierte das Schloss an.
    »Moment!«, bat Amadeo und probierte den Drücker. Die Tür öffnete sich anstandslos. »Na, was sagen Sie?«
    »Keine dumme Variante«, murmelte der dunkelhäutige Mann.
    Der Lichtkegel tastete durch die Finsternis. Es war, als wären die beiden Männer unvermittelt in eine andere Welt eingetreten. Scharfkantiges Lavagestein warf bizarre Schatten: Der rückwärtige Teil der Abtei war direkt in die erstarrte Magma des Vulkans geschlagen. Die Klostergebäude hatten ihr Gesicht gewandelt im Laufe der Jahrhunderte, doch was sich hier unten in eine Nische des Felsens kauerte, hatten die Mönche Generationen hindurch gehütet und bewahrt als das Allerheiligste, das es war. Wie es sich für ein Heiligtum gehörte, waren seit Jahrhunderten kaum Veränderungen vorgenommen worden.
    Zur Rechten sah Amadeo eine verzierte Pforte: der reguläre Hauptzugang von der Abtei aus, wenn nicht gerade Bauarbeiten anstanden. Entlang der Felswand erhoben sich gesicherte Baugerüste und provisorisch eingezogene Stützpfeiler. Doch wie magisch wurde Amadeos Blick von mehreren steilen Treppenstufen angezogen, einige von ihnen noch mit Resten tausendjähriger Mosaiken versehen, und an ihrer Spitze, im Winkel der Felsenhöhle …
    Wer nicht um die Bedeutung dieses Ortes wusste, hätte
den kleinen Rundbogen für ein gewöhnliches Feld-, Wald-, und Wiesenkapellchen halten können - nur dass es eben nicht in Feld, Wald oder Wiese stand, sondern in einer

Weitere Kostenlose Bücher