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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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dahinter, seine MILAN-Wunderwaffe nach vorn gerichtet. Vorsichtig setzte er einen Schritt vor den anderen. Der Boden bestand aus einer Lehmschicht, die dieselbe Farbe hatte wie die Mauern zu beiden Seiten. Irgendwelche Spuren waren nicht zu entdecken. In letzter Zeit schien hier niemand durchgekommen zu sein. Auch hinter der Biegung: exakt dasselbe Bild, genauso hinter der nächsten und der übernächsten.
    Bisher hatten sie noch gar keine Wahl gehabt zwischen links und rechts, doch Rebecca hatte die Orientierung jetzt schon fast verloren. Der Winkel, in dem die Schatten fielen, war keine Hilfe. Sie sprangen wild umher im willkürlichen Rhythmus der elektrischen Entladungen.
    Schon gestern Abend hatte Rebecca getestet, ob das seltsame statische Phänomen irgendwelche Auswirkungen auf ihre Handyverbindung hatte - doch das war nicht der Fall. Sie konnte telefonieren, genau wie der Oberst, der sich immer wieder bemühte, jemanden an den Hörer zu kriegen bei den Amerikanern in Baghram oder bei den Italienern in … wie auch immer das Nest nun hieß.
    Doch wen interessierten die Italiener? Rebecca ging es nur um einen einzigen Italiener, und der war gar nicht in Afghanistan, sondern im Moment wohl wieder in seinem Heimatland.
    Das war das Letzte, was sie von ihm gehört hatte. Amadeos letztes Lebenszeichen, gestern Mittag, als er ihr die Landmarken aus Kaiser Friedrichs Text durchgegeben hatte. Er selbst war da gerade unterwegs nach Italien gewesen, zusammen mit Duarte, um irgendeine Theorie zu überprüfen, wie der Code funktionieren konnte, der sich in diesem Text versteckte.
    An sich hatte er sich ganz zuversichtlich angehört.

    Doch Steffen Görlitz besaß dieselbe Textvorlage. Ich werde schneller sein als du, Fanelli. Und dann wirst du sterben . Amadeo hatte versucht, Görlitz’ Stimme zu imitieren am Telefon - nicht besonders überzeugend nach Rebeccas Einschätzung. Mit dem glucksenden Laut am Schluss hatte er wohl zeigen wollen, wie locker er das Ganze nahm. Doch Rebecca kannte Amadeo Fanelli.
    Sie war in ihrem Leben Männern begegnet, für die eine frustrierte Mittelklasse-Ehefrau ihre Seele verkauft hätte - und womöglich sogar den sorgsam gehätschelten Zweitwagen. Lateinamerikanische Guerilleros. Gentleman-Agenten mit Umgangsformen wie regierende Fürsten. Einen Typen, der jetzt zum dritten Mal für den Oscar nominiert worden war. Männer, die einer Frau, die sich nach einem Abenteuer sehnte, als Fleisch gewordener feuchter Traum erscheinen mussten.
    Keiner von ihnen konnte Amadeo Fanelli das Wasser reichen. Amadeo mit seinem Talent, in ausweglose Situationen zu geraten - und seiner ganz selbstverständlichen Bereitschaft, die Suppe auch wieder auszulöffeln, die er sich seiner Meinung nach selbst eingebrockt hatte. Rebecca kannte keinen tapfereren oder ehrenhafteren Mann. Keinen, der mit einer so offenen, unglaublichen Neugier das Kind in seinen Augen trug. Niemanden, dem sie bereitwilliger ihr Leben anvertraut hätte - wenn auch nicht unbedingt ihren Einkaufszettel.
    Ihre Mutter hatte einmal gesagt, eine Frau habe in ihrem Leben eigentlich nur eine einzige Wahl: Sie könne entweder einen Mann haben, den sie brauchte, um das Leben zu führen, das sie sich als kleines Mädchen immer vorgestellt hatte, oder aber einen Mann, den sie liebte. Rebecca hatte bis heute nicht herausgekriegt, ob das nun ein altes irisches Sprichwort war oder ganz persönliche Lebenserfahrung.

    Sicher war sie sich nur bei der Antwort:
    Nein, sie brauchte Amadeo nicht.
    Sie war sich nur nicht sicher, ob sie ohne ihn würde leben können.
    Während sie ein Auge weiterhin auf Merthes’ Rücken behielt, holte sie ihr Handy aus der Tasche, drückte die Wahlwiederholungstaste, lauschte … doch das Ergebnis war dasselbe wie bei den letzten Versuchen.
    »Wo bist du, Amadeo Fanelli?«, murmelte sie.
    Ihre Schwester warf ihr einen kurzen Blick zu. Auch sie hat jemanden, um den sie sich Sorgen macht, schoss es Rebecca durch den Kopf. Auf einmal hatte sie ein schlechtes Gewissen. Alyssa brauchte nicht mal zu versuchen, das Bübchen ihres Lebens ans Telefon zu kriegen.
    Sie sah, dass der Blick ihrer Schwester sich veränderte.
    Der Oberst war plötzlich stehengeblieben. »Was zur Hölle ist das?«
    Mit drei Schritten waren die Schwestern bei ihm.
    Hinter der Biegung führte der Gang weiter geradeaus - doch nur noch ein paar Schritte, bevor er sich nach links, nach rechts verzweigte. Sie hatten damit gerechnet, dass genau das irgendwann

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