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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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also eine Sache gewesen, über die er erst einmal hatte nachgrübeln müssen. Erst irgendwann spät am Abend hatte er sich dann entschlossen, deswegen die Stadt zu verlassen - für ein paar Tage, wie auf dem Post-it an Rebecca gestanden hatte. Hatte sein ominöser Abendspaziergang damit zu tun gehabt? Hatte er sich vielleicht vor Ort etwas ansehen wollen, bevor er seine Entscheidung traf? Dann musste es etwas
sein, an das er abends noch herankam, also kein gewöhnliches Archiv oder dergleichen. Oder hatte er sich mit jemandem getroffen, einem Mann mit langer weißer Mähne und Jeansjacke möglicherweise? Doch warum hätte dieser Mann dann den ganzen Tag an der Bushaltestelle lauern sollen, draußen auf der Straße?
    Das waren nur einzelne Puzzleteile, und Rebecca war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt alle zum selben Bild gehörten - aber sie gefielen ihr nicht.
    Der Papierkorb. Sie glitt vom Stuhl und ging in die Hocke.
    Im selben Moment bereute sie die unbedachte Bewegung. Der Schmerz biss in ihre Wade wie eins von diesen tückischen kleinen Schoßhündchen, die zu reißenden Bestien wurden, wenn man sie nicht regelmäßig mit Schokolade fütterte. Rebecca fluchte unterdrückt. Duartes Naht. Sie wusste, dass er nur improvisiert hatte, als er die Wunde geschlossen hatte, und eben war deutlich zu spüren gewesen, wie einer oder sogar mehrere der Fäden gerissen waren.
    Mit zusammengebissenen Zähnen ließ sie sich auf die Knie nieder. Wenn sie schon mal hier unten war, konnte sie den Inhalt des Papierkorbs auch in dieser Position sichten. Der Schreibtisch gab ihr sogar zusätzliche Deckung, falls jemand zufällig durch die Tür hereinschaute.
    Sie machte sich an die Arbeit, verteilte ihre Fundstücke auf zwei Stapel: unwichtig und noch einmal genau anschauen . Unwichtig war alles, was mit Rechnungen und Kostenvoranschlägen zu tun hatte. Unwichtig war in Windeseile wesentlich höher als noch einmal genau anschauen .
    »Capo?«
    Mitten in der Bewegung hielt Rebecca inne. Schritte. Jemand war an der Tür, unter dem Tisch hindurch sah sie seine Schuhe, Sportschuhe.

    »Capo?«
    Eine Männerstimme, sie hörte sich jung an. Sollte das ein extrem leises Rufen sein oder ein extrem lautes Flüstern? Es klang nach jemandem, der sich irgendwie verpflichtet fühlte, nach Amadeo zu rufen, aber im Stillen darum betete, dass der capo ihn nicht hören würde, weil er Gott sei Dank gerade nicht im Büro war.
    Rebecca rührte sich nicht; ihre Augen waren das Einzige, was sich bewegte. Konnte der junge Mann sie sehen? Sie hatte keine Lust, ihm zu erklären, was sie hier gerade anstellte. Für die neue Reinemachefrau würde er sie nicht halten.
    Ihr Blick fiel auf die verchromten Rollen von Amadeos Arbeitsstuhl. Da gab es Schutzkappen, ebenfalls verchromt, und eine davon stand in einem Winkel, dass sich das verzerrte Rechteck der Tür darin spiegelte und die Gestalt des Mannes, der auf der Schwelle stehengeblieben war.
    Stehen war allerdings nicht ganz das richtige Wort für die vorgebeugte Haltung, in der der … nein, auch Mann war nicht das richtige Wort. Jetzt erinnerte sich Rebecca an Amadeos Lieblingsazubi, den Jungen mit der Frisur wie explodierte schwarze Zuckerwatte. Fabio. Fabio beugte sich fast bis zum Boden, um unter die Tischplatte spähen zu können. Rebecca wollte ihre Reize nun nicht überbewerten, war sich aber doch recht sicher, dass ihr Hintern in diesem Moment das Interessanteste war, was unter dieser Tischplatte zu sehen war.
    »Der Postausgang ist links«, bemerkte sie. »Von dir aus. Etwa einen Meter höher.«
    Die Spiegelung zuckte zusammen, richtete sich kerzengerade auf. »Ich wollte das gleich heute früh, ich …« Rebecca hob die Augenbrauen. Aus dem Stimmbruch sollte der Junge doch raus sein? »Ich … Gleich als Erstes, wirklich!«

    Er verschwand aus ihrem Blickfeld, machte sich an der Ablage zu schaffen, während Rebecca sich am Schreibtisch in die Höhe hievte. Ihr Bein brannte wie Feuer. Sie kam sich vor wie achtzig, daran konnte auch die Wertschätzung nichts ändern, die ihre Heckansicht gerade erfahren hatte.
    »Ich geh jetzt gleich sofort auf der Stelle!« Flehend sah Fabio sie an. »Bitte sagen Sie dem capo nichts! Ich wollte das wirklich …«
    Rebecca schüttelte den Kopf, schon damit er diesen unerträglichen Hundeblick abstellte. »Unten am Park ist ein Kasten. Wirf das einfach irgendwann vor sechs da ein, und kein Mensch merkt was. - Du dachtest, dottore Fanelli wäre hier im

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