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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Instituts lag im Dunkeln. Die Funzel über dem Türsturz erreichte nur den vordersten Abschnitt der Marmorfliesen und tauchte ihn in unbestimmtes Halblicht.
    Amadeo brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren.
    »Die Treppe nach oben ist geradeaus vor uns«, sagte er leise. »Ein kleines Stückchen rechts.«
    »Und der Lichtschalter ist gleich hier drüben.«
    Eine rasche Bewegung. Amadeo keuchte auf, als die Lichter in den altertümlichen Deckenleuchtern aufflammten und jeden Winkel erhellten. Das Foyer lag menschenleer vor ihnen.
    »Wenn sich da jetzt jemand versteckt hätte!«, japste er.
    Rebecca hob die Schultern: »Dann wärst du gerade ein perfektes Ziel für ihn gewesen, vor dem Licht von draußen - und er unsichtbar für uns. - Du hast verstanden? Du bleibst immer hinter mir, egal, was passiert!«
    »Und dein Bein?«
    »Wozu hab ich mir wohl dieses Giftzeug in den Oberschenkel gejagt?«, zischte sie. »Ich werd drei Tage nicht richtig aufs Klo können, aber die nächsten paar Stunden hab ich jedenfalls Ruhe mit dem Bein.«
    Katzengleich betrat sie das Foyer. Amadeo folgte ihr - wie ein Geist, dachte er, der an die einstige Stätte seines Wirkens zurückkehrte.

    Die Szene war unwirklich. Eine der elektrischen Kerzen im hintersten der Kronleuchter hatte einen Wackelkontakt. Sie glomm auf, verlosch, glomm wieder auf in einem verwirrenden, nicht erfassbaren Rhythmus. In der Helligkeit, die die Gesamtheit der Lichter in dem weitläufigen Raum verbreitete, war das nur ein winziges Flackern, doch den Schatten im Winkel unter der Treppe verlieh es ein geisterhaftes Leben. Sie veränderten sich, schienen für Augenblicke zu verblassen, um sich im nächsten Moment wieder zu vertiefen.
    Die Treppe knarrte, als Rebecca ihren Fuß auf die unterste Stufe setzte.
    »Und hier hast du gearbeitet?« Ihr Plauderton stand im Widerspruch zu der Waffe, deren Mündung sie mal hierhin, mal dorthin richtete wie eine Taschenlampe, während sie die Treppe Stufe um Stufe hinaufstieg. »Hattest du ein eigenes Büro?«
    Er schüttelte den Kopf: »Wir hatten eine Werkstatt direkt bei der Anna-Amalia-Bibliothek, wo wir nach dem Brand die Schäden gesichtet haben.«
    Sie blickte einen schmalen Flur hinab. Mit den Kronleuchtern im Foyer waren auch die Lichter im Treppenhaus angegangen. Der Korridor selbst lag im Halbdunkel. »Wo geht es dort hin?«
    »Magazine«, sagte er. »Archive. Da drüben gibt’s noch mehr davon.« Er deutete in einen zweiten Flur, in der entgegengesetzten Richtung.
    »Jedenfalls brannte zur Straße raus sonst kein Licht«, stellte sie fest und nahm die Treppe zum zweiten Stock in Angriff. »Und Helmbrecht führt die Aufsicht über die Restaurierungsarbeiten?«
    Amadeo schüttelte den Kopf, obwohl er wusste, dass sie es diesmal nicht sehen konnte. »Nein. Helmbrecht ist Paläograph.
Er hat weniger mit gedruckten Büchern zu tun - eher mit Handschriften, mit der Form der einzelnen Buchstaben. Er kann dir sagen, aus welcher Zeit ein Text stammt, in welcher Gegend er entstanden ist. Vielleicht sogar, wer ihn geschrieben hat - also aufgeschrieben. Jeder Schreiber hat seine Eigenheiten, damals wie heute.«
    »Ein Kringel über dem u zum Beispiel«, nickte sie, und er hörte das Grinsen in ihrer Stimme. »Oder Herzchen als i-Punkte. - Runter!«, brüllte sie unvermittelt.
    Amadeo gehorchte sofort. Ein Reflex, der einem in Fleisch und Blut überging, wenn man mit Rebecca Steinmann unterwegs war.
    Rebecca stand hoch aufgerichtet. Sie hielt die Waffe mit beiden Händen vor sich gestreckt und zielte den Flur hinab.
    »Drehen Sie sich ganz langsam um«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Und ich will Ihre Hände dabei sehen. Beide!«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann noch einmal ihre Stimme, jetzt schärfer: »Ich zähle bis drei. - Eins.«
    Amadeo war in die Hocke gegangen, hatte sich halb hinter das Treppengeländer geduckt. Sein Herz überschlug sich. Mit wem sprach sie? Einem Mann in einem Jeansanzug, mit langem Haar, das weiß sein konnte oder doch blond?
    »Und zwei.«
    Wer hatte hier auf sie gelauert, hier in der zweiten Etage? Im Erdgeschoss lagen die Arbeitsräume, im ersten Stock der größte Teil der Magazine. Und im zweiten Stock …
    »Und …«, begann Rebecca.
    Amadeo sah, wie sich ihr Griff um die Waffe veränderte. »Halt!«, schrie er. Auf einen Schlag hatte er begriffen. »Nicht schießen!«
    Mit zwei Sätzen war er bei ihr. Er hatte sich nicht getäuscht.
    Der Fremde wandte ihnen seine Kehrseite

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