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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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verhängten Gefährt im Rückspiegel.
    Rebecca sog die Luft ein. »Geh aufs Gas!«
    »Was?«
    Amadeo schüttelte sich - und im selben Moment sah er es selbst.
    Polizeifahrzeuge, drei Stück. Sie hielten vor dem gepflegten Häuschen, in dem Fernwaldt lebte. Lebte?
    Quer über dem Gartenweg spannte sich ein rotweißes Absperrband. Die aufgedruckten Buchstaben, die das kleine Anwesen als Tatort eines Verbrechens auswiesen, schienen in Amadeos Kopf zu verschwimmen, als er den Wagen hart an der erlaubten Höchstgeschwindigkeit am Grundstück vorbeijagte:
    Mene mene tekel.

Rom, Parco della Resistenza
    Fernwaldt war tot: Der Mann, der jahrzehntelang Albert Einsteins Vermächtnis gehütet hatte, der Eigner der Sturmkönigin, der Alte, der sein Leben lang in Angst gelebt hatte vor einem besonderen Gast vom Geheimdienst, den es doch gar nicht geben konnte.
    Fernwaldt war tot.
    Amadeo hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Inzwischen war es an die zwölf Stunden her, dass sie die schreckliche
Entdeckung gemacht hatten, doch noch immer wollte die Wahrheit nicht in seinen Kopf.
    Fernwaldt war tot, doch er konnte nicht tot sein. Es gab keine Geheimagenten in dieser Geschichte, im Spiel der Gelehrten. Dass es bei diesem Spiel um sehr viel mehr ging als zunächst angenommen, machte dabei keinen Unterschied. Kein Mensch wusste von Einsteins Vermächtnis, von Goethes Gedicht und der jahrhundertealten Tradition der Codes, mit denen das Babylon-Geheimnis weitergegeben wurde. Und selbst wenn jemand davon gewusst hätte: Warum hätte Fernwaldt deswegen sterben müssen?
    Das ergab keinen Sinn! Und doch war der alte Mann tot, und angesichts des Polizeiaufgebots konnte er kaum einem spontanen Schlaganfall erlegen sein.
    Amadeos Panik war zurück, die bereits nach ihm gehascht hatte, als Rebecca ihm von dem blonden Mann erzählt hatte. Den gesamten Flug zurück nach Italien hatte er in einem Zustand der Betäubung verbracht, und selbst hier in Rom hatte die Angst sich nicht gelegt. Nicht zu Hause in dem kleinen Apartment in Trastevere und auch nicht am Abend in der menschenleeren Werkstatt in der Via Oddone. Was war Paranoia, was war Wirklichkeit? In der officina hatte Amadeo sekundenlang geglaubt, einen stechenden Geruch wahrzunehmen, doch als er sich näher umgesehen hatte, war nichts Außergewöhnliches festzustellen gewesen. Auf Gianna war Verlass, er hatte es gewusst.
    Doch was hatte er nicht alles geglaubt zu wissen? Ein wissenschaftlich aufregendes, aber ganz und gar harmloses Spiel von Gelehrten … Als er vorhin in der Werkstatt gestanden hatte, hatte ihn eine urplötzliche und beinahe unwiderstehliche Sehnsucht nach seinem beschaulichen Büroalltag überfallen.
    Daran war natürlich nicht zu denken. Er sollte sich Gedanken
darüber machen, ob es in ein paar Tagen und Wochen noch einen Arbeitsplatz gab, an den er zurückkehren konnte - mitsamt einer von Menschen bewohnten Stadt, einer von Menschen bewohnten Welt drumrum.
    Genau darüber durfte er nicht nachdenken. Hätte er sich vollständig vergegenwärtigt, was mit jedem Atemzug auf dem Spiel stand: Er wäre nicht mehr imstande gewesen, sich auch nur einen Schritt zu bewegen.
    Genau das tat er aber. Im Schutze der Dunkelheit waren Rebecca und er unterwegs zum cimitero acattolico und passierten im Augenblick den finsteren Park zwischen Via Oddone und Piazza Albania. Amadeos Fiat parkte vor der officina . Das war immer noch besser, als wenn sie direkt vor dem Protestantischen Friedhof gehalten und ihre Gerätschaften ausgepackt hätten, die Amadeo jetzt in einem Rucksack auf dem Rücken trug: zwei Klappspaten, eine Spitzhacke und eine leistungsstarke Taschenlampe. Mit etwas Glück würde man sie vielleicht für Rucksacktouristen halten - immerhin hatte er einen auf. Trotzdem …
    »Ich frag mich immer mehr, ob das eine so gute Idee ist«, sagte er leise. »Findest du nicht, wir sehen ziemlich verdächtig aus?«
    Rebecca schwieg. Sie schien über irgendwas nachzugrübeln, und das reichte schon aus, dass in Amadeos Kopf in greller Dissonanz die Alarmglocken schrillten. Einen Moment lang fiel von einer Laterne her gelbliches Licht auf Rebeccas Gesicht. Sie sah angespannt aus, blass. Vorhin hatte sie sich wieder eine ihrer Injektionen ins Bein gejagt. Und seit heute Mittag hatte sie zwei Packungen Taschentücher verbraucht.
    »Was?« Sie schüttelte sich, als hätte sie im Gehen geschlafen.
    »Ich …« Amadeo wurde automatisch langsamer. »Ich meinte, dass wir schon irgendwie

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