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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Knurren löste Amadeo das Ungetüm von seinen Schultern und wuchtete es nach oben. Rebecca griff zu und ließ es auf der anderen Seite in die Tiefe fallen. Irgendwelches noch unsichtbares Gestrüpp dämpfte das Geräusch des Aufpralls; für Amadeo klang es trotzdem wie Kanonendonner. Die Elektronik mochte deaktiviert sein, doch der private Wachdienst, der auf dem Friedhofsgelände patrouillierte, ließ sich nicht einfach ausknipsen. Und wer auch immer hinter ihnen her war, wenn noch jemand hinter ihnen her war …
    Rebecca streckte ihm die Hand entgegen. Im selben Moment hörte Amadeo von links das Brummen eines Motors. Gehetzt griff er zu, stieß sich mit den Füßen am Gemäuer ab. Als er sich ächzend auf die Mauerkrone schob, erhellten die Scheinwerfer die gegenüberliegende Häuserfront.
    »Runter!«, ächzte Rebecca und ließ sich in die Tiefe fallen.
    Amadeo holte Luft und löste sich von seinem Halt. Der raue Verputz schürfte ihm die Arme auf und ließ ihn schmerzerfüllt keuchen. Er konnte nicht sagen, was hier unten für Büsche wuchsen, aber sie hatten zentimeterlange Stacheln.
    Das Blut rauschte in seinen Schläfen, dass es das Brummen
des Motors beinahe übertönte, als der Wagen ohne abzubremsen vorbeifuhr.
    »Rebecca?«, flüsterte er. »Bist du okay?«
    Keine Antwort.
    »Rebecca?«
    »Geht schon wieder.« Ihre Stimme klang gepresst. »Mist, ich hab den Tacker nicht dabei.«
    »Hat sich die Wunde wieder geöffnet?«
    »Nein!«, knurrte sie. »Ich hab’nen bösen Riss in meinem Abendkleid. So kann ich unmöglich unter die Leute gehen. - Komm jetzt!«
    Schemenhaft sah er ihre Gestalt, die sich unter leisen Flüchen aus dem Gestrüpp befreite. Es mussten irische Flüche sein; er verstand kein Wort.
    Amadeo strampelte sich selbst aus den Zweigen frei, wobei sich die Dornen noch einmal herzhaft in seinen Unterarm bohrten. Wütend riss er sich los. Falls sie scharfe Wachhunde hatten bei der Security, brauchten sie nur der Blutspur zu folgen.
    »Rebecca?«
    Im nächsten Moment lief er fast in sie hinein. Ihre undeutliche Silhouette war gerade dabei, sich den Rucksack auf die Schultern zu hieven, und er hinderte sie nicht daran. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte.
    »Wo müssen wir jetzt lang?«, flüsterte sie. »Du hast gesagt, du weißt, wo wir das Grab finden.«
    Er hatte gesagt, dass er schon mal am Grab von Goethes Sohn gewesen war, tagsüber natürlich, aber es war besser, ihr diese Feinheiten nicht auseinanderzusetzen. Zumindest wusste er ungefähr, in welche Richtung sie sich bewegen mussten: nach rechts und parallel zur Mauer. Das Grab befand sich in einem der älteren Bereiche des cimitero, in der zweiten oder dritten Reihe an der Nordseite, so weit er sich
erinnerte. Das einzige Problem bestand darin, dass er sich nicht völlig sicher war, wo genau sie selbst sich in diesem Augenblick befanden.
    Rebecca tastete über ihren Blazer und brachte einen winzigen Gegenstand zum Vorschein. Im nächsten Moment erhellte ein bleistiftdünner Lichtstrahl die Finsternis. Erhellte war fast zu viel gesagt, doch mit Sicherheit war das Lichtlein unauffälliger als die Halogenleuchten in ihrem Rucksack.
    Ein paar Schritte entfernt führte ein mit Steinplatten ausgelegter Weg an der Mauer entlang. Vorsichtig bewegte sich Amadeo darauf zu, versuchte sich gleichzeitig in der Deckung des Buschwerks zu halten. Einen Moment lang blieb er unschlüssig stehen.
    »Ich glaube, ich weiß, wo wir sind«, sagte er schließlich leise »Es ist eine ganze Ecke von hier aus, aber eigentlich müssen wir immer nur dem Weg folgen.«
    »Sicher?«
    »Sicher.« Er nickte, deutete auf einen hellen Stein, der im Mondlicht schemenhaft zu erkennen war. »Da drüben ist die Grabstätte von John Keats. Dem englischen Dichter. Here lies one whose name was writ in water , steht auf der Rückseite. Darum hatte er auf dem Sterbebett gebeten.«
    »Wenn mich das interessierte, würd ich eine Führung mitmachen«, knurrte sie. »Wenn’s hell ist. - Los jetzt!«
    Schweigend begannen sie ihre Wanderung durch die Finsternis. Es war nicht kalt für einen Novemberabend, wärmer jedenfalls als zwei Tage zuvor bei Amadeos Nachtspaziergang. In den Zweigen einer Platane rief ein Vogel, ein echter Vogel diesmal, keine Jalousie. Doch ein echter Vogel war unheimlich genug in dieser Umgebung.
    Der cimitero acattolico war ein Labyrinth. Wer hätte sich vor ein paar hundert Jahren auch denken sollen, dass der
kleine Friedhof für die Hand voll Protestanten, die

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