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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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solange das unruhige Licht das noch zuließ. » The Tower of Babel «, las er, » Compos’d by … « Sein Herz überschlug sich. »Mein Gott, das ist von Händel!«, hauchte Amadeo. »Ich … ich habe den ganzen Schrank voll und …«
    »Du hast den Schrank voll mit Händel-CDs«, bestätigte sie. »Und mit welchen von Vivaldi und von Bach und von dem Menschen, den ich immer vergesse. Und das hier kennst du noch nicht, richtig? - Genau wie bei Goethe, oder? Bei Goethe war’s ein Gedicht, hier ist es eine Oper.«
    »Nein«, flüsterte Amadeo. »Keine Oper. Opern waren in italienischer Sprache geschrieben, auch bei Händel. Ein Oratorium. Ein Händel-Oratorium, und kein Mensch kennt es! Das ist ein ganz früher Druck. Ich finde das Jahr nicht, vielleicht steht das gar nicht …«
    »Ist es das, was wir suchen?«
    »Ich bin mir …«
    Der Lichtstrahl verlosch. Amadeo bekam keine Luft. Im ersten Moment war es, als hätte sie ihm nicht allein die Helligkeit, sondern auch die Luft zum Atmen abgeschnitten.
    »Was …« Seine Stimme war ein Krächzen.

    Im selben Moment ertönte der erste Schuss. Die Stille, die darauf folgte, wollte ihm das Trommelfell zerreißen.
    »Rebecc …«
    Der zweite Schuss, ein dritter … Rufe, nein, Schreie.
    »Verdammt!« Rebeccas Stimme. Auf einmal war das Licht wieder da. »Komm da raus! Die schießen!«
    »Du bist …«
    »Komm da raus!«, brüllte sie. »Das kommt von irgendwo da drüben, wo wir über die Mauer sind!«
    »Worauf schießen die?« Mit fliegenden Fingern verstaute Amadeo das Brevier in seiner Jacke. Stolpernd kam er in die Höhe, stützte sich auf den Rand der Einfriedung, die das Grab umgab - umgeben hatte. Mühsam zog er sich hoch.
    Rebecca antwortete nicht. Ehe er auf den Beinen war, hatte sie ihm die Taschenlampe in die Finger gedrückt. Sie selbst hielt bereits ihre Waffe in der Hand. »Los!«, zischte sie. »Wir müssen hier weg, über die Mauer.« Rebecca brach ab. Der Schusswechsel ging weiter. Wenn es überhaupt ein Schusswechsel war, wenn unterschiedliche Parteien aufeinander feuerten.
    »Eine Seite hat schallgedämpfte Pistolen«, sagte sie jetzt leiser. Sie musste seine Gedanken gelesen haben. »Das kam zuerst. Die Security hat nur reagiert. Wie weit ist es zur entgegengesetzten Mauer von hier aus?«
    Amadeo richtete den Lichtstrahl in die Dunkelheit. Unsichtbar zu sein half nun nichts mehr. »Ich … Wir können nicht …«
    »Wie weit?«, knurrte sie.
    »Hundert Meter, höchstens. Aber …«
    »Komm!« Schon war sie an ihm vorbei, geschmeidig wie eine Katze, trotz der Verletzung, trotz der Grippe, und offenbar konnte sie jetzt auch im Dunkeln sehen wie eine Katze. Amadeo kam kaum hinterher mit der Lampe.

    »Wir können da nicht lang!« Keuchend versuchte er mit ihr Schritt zu halten. Der Rucksack, die Werkzeuge blieben liegen. Was sie getan hatten, ließ sich sowieso nicht verbergen. Sie hatten, weswegen sie gekommen waren - wenn das kleine Brevier tatsächlich war, was er glaubte. Händel, in Gottes Namen. Händel! Aber das Büchlein war gedruckt, nicht handschriftlich. Bedeutete das … Nein, jetzt nicht darüber nachdenken.
    Weiter, nur weiter. Kies stob unter seinen Füßen auf, Schlingpflanzen griffen nach seinen Beinen, Zweige peitschten ihm ins Gesicht. Zwielicht am Boden, im kahlen Geäst der Mond.
    »Wir können …« Wo war Rebecca?
    Zuckend glitt sein Lichtstrahl hin und her. Stufen aus dunklem Travertin, herbstliche Vegetation, das Laub von Zypressen, dazwischen schlanke Blätter von Palmen vor knochenweißem Marmor. Eine Engelsfigur, ein trauernder Jüngling, ein Etwas, das er nicht erkennen konnte. Und Rebecca. Mit finsterer Miene winkte sie ihn heran.
    Amadeo atmete auf. Stolpernd suchte er sich einen Pfad zwischen den Grabsteinen. Irgendwo musste es Wege geben, auch hier, doch das machte keinen Unterschied, denn gleich dort vorne …
    Neben Rebecca kam er zum Stehen. Wie mit dem Messer war die Vegetation abgeschnitten. Ein gepflasterter Weg, dahinter ragte eine hohe Balustrade auf - und Amadeo wusste, dass auf der anderen Seite ein Abgrund gähnte, mehrere Meter tief.
    Die Ahnung eines Lichtschimmers bewegte sich über der Krone der Mauer entlang: Fahrzeuge unten auf der Straße, die zurück zur Porta San Paolo führte. Im Viertel auf dieser Seite des cimitero war mehr los als auf der Via Caio Cestio, das hatte Amadeo von Anfang an gesagt, noch bevor sie den
Friedhof betreten hatten. Im Übrigen hatte er auch von Anfang an betont, dass die

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