Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Mars
Vom Netzwerk:
mit Sonnenschein verbunden – war sogar noch besser. Die Luftgeister spielten mit den Schmetterlingen und raschelten mit dem Gras, die Erdgeister buddelten Kreise um uns herum, ein Steingeist kullerte heran und irgendwo grollte ein Wurzelgeist tief in der Erde verborgen. Zum Glück kam kein Feuergeist dazu.
    Wir saßen fast zwei Stunden dort in der Sonne. Nach und nach wurde der Schmetterlingsschwarm kleiner, die Rehe verzogen sich in den Wald und die Geister begannen, sich zu langweilen. Wir blieben bis zum Schluss, um diesen atemberaubenden Moment noch festzuhalten.
    „Keelin“, setzte ich irgendwann an, die ersten Worte seit Stunden. Der nächste Satz hätte etwas Erhabenes sein sollen – zum Beispiel: Du bist der König der Tiere, ich verneige mich vor dir. Oder: Das war das Fantastischste, was ich je erlebt habe, ich danke dir. Oder: Die Schönheit, die uns umgibt, lässt mich sprachlos zurück, ich liebe dich dafür. Aber mir fielen zu der Situation nur dumme Sprüche ein. Und so sagte ich stattdessen: „Krass! Das war ja so viel Idylle, da hätte man glatt kotzen können. Brrruah!“
    Er sah mich schief an, stand auf und streckte sich tiefenentspannt. Dann schnüffelte er an meinem Beutel und klaute sich ein paar Brombeeren. Er war wirklich Vegetarier. Aber nach dem, was ich hier gesehen hatte, konnte er wohl auch kaum Jagen.
    Und dann, in dieser Nacht, verwandelte er sich zum allerersten Mal. Ich hatte damals noch gedacht, mit mir würde jetzt die Fantasie durchgehen, irgendwann sah ich aber ein, dass es tatsächlich passierte.
    Keelin und ich hatten uns wie jeden Abend vor den Kamin gehockt. Gab ja sonst auch nicht viel, wo wir hätten sein können. Draußen war es zwar schon ziemlich warm, aber ich machte abends immer noch Feuer, das war gemütlicher.
    Wir hockten also nebeneinander. Er schlief, tief und fest, und schnarchte ab und zu. Ich schnitzte - oder massakrierte das Holz, denn im Schnitzen bin ich so begabt wie beim Holzhacken/Kochen/Säen - mir ein Figürchen. Meist bestimmte ich erst hinterher, was für ein Tier es darstellen sollte. Das war einfacher, als erst einen Hasen zu schnitzen, um dann hinterher festzustellen, dass er doch eher einem Schaf ähnelte.
    Wo Meeha während des erhabenen Moments war, weiß ich gar nicht mehr. Sie knurspelte vermutlich unter dem Schrank ihre Möhren.
    Ich weiß noch, dass ich genervt war und mein Messer zur Seite legte. Dann starrte ich ins Feuer, kraulte dabei dem Wolf die Ohren und dachte nach. Das war dann die Sekunde, in der es passierte: Ganz plötzlich hatte ich kein Wolfsohr mehr in der Hand, sondern - Luft.
    Ich nahm im ersten Moment an, Keelin habe den Kopf gedreht, warf ihm einen kurzen Blick zu – und erstarrte.
    Wo normalerweise dieser riesige, alles beherrschende Wolfskörper ruhte, schlummerte jetzt ein Mensch. Er lag genau wie Keelin auf der Seite, Kopf in den Händen/Pfoten, Augen entspannt geschlossen.
    Ich wünschte, ich könnte noch genauer beschreiben, wie er in dieser Sekunde ausgesehen hat, aber leider dauerte es auch wirklich nur einen Atemzug, ein kurzes Flimmern der Luft, ein Verschwimmen der Gestalt vor mir – dann war der Wolf wieder ein Wolf und der Spuk vorüber.
    Ich blinzelte.
    Traum oder Wirklichkeit? Wunsch oder Realität?
    Mein Herz raste und ich hatte einen fetten Klos in der Kehle hocken. Was, bei allen Geistern dieser Welt, war denn das gewesen?
    Keelin hatte nichts bemerkt, er schlief weiter.
    Der Mensch war männlich gewesen, seiner Statur nach zu schließen. Dankenswerterweise hatte er tatsächlich Kleidung angehabt. Zwar ziemlich durchlöcherte, stinkende und zerfetzte Kleidung, aber ich hatte deutlich eine schlabbrige Hose und ein Holzfällerhemd gesehen.
    Dunkle, lange Haare hatte er gehabt. Gewellt? Ich war mir nicht sicher. Auf jeden Fall wuchs in seinem Gesicht ein Bart, ungepflegt und ungewaschen.
    Oje, Aeri, jetzt hatte mich die Einsamkeit doch verrückt gemacht. Ich wünschte mir so sehr einen menschlichen Keelin, dass mein Gehirn ihn sich kurzerhand selbst ersonnen hatte.
    Es war aber ein wirklich schöner Tagtraum gewesen.
    Weil ich die Verwandlungsnummer für ein Gespenst meiner Fantasie hielt, erwähnte ich nichts davon. Mir war es ein bisschen peinlich. Was hätte ich denn sagen sollen?
    „Hey, Keelin. Du sahst als Mensch ganz schön scharf aus?“ Danke, nein. Bestimmt nicht.
    Aber ab da lauerte ich. Ich kraulte ihm häufiger als üblich die Ohren und ich machte öfter Feuer als gesund war, selbst bei

Weitere Kostenlose Bücher