Das Band der Magie
überfallen.“
Ich dachte an Keelin. Wie konnten im Vergleich zu den Shadun wehrlose Menschen dieses Volk fast vernichten?
Bevor ich aber nachhaken konnte, rührte Liah schon fleißig in ihrer Kräutersuppe und faselte etwas über Rezepte und Feuerschein. Ich brauchte ein bisschen, um sie zurück zum Thema zu führen.
„Oh, die Shadun hatten einen Nicht-Angriffspakt mit den Menschen. Komplizierte Geschichte. Sehr kompliziert. Das hatte was mit den „Runen der Freundschaft“ zu tun, gerne auch genannt „Die Runen der Knechtschaft“. So ein Blödsinn.“
„Liah!“
„Jaja, entschuldige Brahn.“ Zu mir: „Die Shadun sind da ein bisschen empfindlich, weißt du? Auf jeden Fall wäre es ihnen fast ebenso an den Kragen gegangen wie den Mae. Ein paar von ihnen entkamen in letzter Sekunde – lange Geschichte, ziemlich spektakulär, wenn du mich fragst. Sie haben sich dann über einige Irrungen und Verwirrungen mit den Mae zusammengeschlossen. Ich bin dann praktisch durch Zufall dazugekommen und hatte ein paar Asannen mit im Schlepptau. Ziemlich nützliche Magiewesen, wenn du mich fragst. Aber so, wie Brahn mich jetzt anschaut, sollten wir lieber das Thema wechseln!“
Das tat ich dann auch.
„Wie kommt es, dass du die Geister lenken kannst? Mit mir spielen sie höchstens.“
„Oh, das kommt noch. Sie haben sich ja auch noch nicht auf dich gesetzt. Du bist ihnen noch zu unheimlich. Jugendlicher Überschwang und so, weißt du?“
Nein, wusste ich nicht. Ich fragte genauer und erhielt eine halbwegs gute Erklärung.
„Schau mich an und dann dich. Was fällt dir auf?“
„Du hast wahnsinnig schöne Haare?“
Liah lachte. „Naja, ein bisschen hat es schon damit zu tun. Meine Haare sind violett, weil sie voller Magie sind. Ich bin quasi mit Magie vollgepumpt. Darauf stehen die Geister. Aber auf jedem Zentimeter meiner Haut hockt ein Geist – und wie sieht`s bei dir aus?“
Ich sah an mich herunter. Kein einziger Geist. Das war mir noch nie aufgefallen. Mit Keelin spielten sie, verknoteten seine Haare und ritten auf ihm. Bei mir hockte höchstens mal ein Geist auf der Teetasse.
„Die Geister spüren, dass du ein mächtiges Wesen bist – aber noch ziemlich grün hinter den Ohren. Deshalb sind sie vorsichtig. Sobald sich mal ein Geist auf dich drauf gesetzt hat, kannst du dich vor ihnen nicht mehr retten. Glaub mir.“
„Und wann passiert das?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Bei mir geschah es an meinem zwanzigsten Geburtstag, seitdem kann ich die Geister auch lenken. Wie alt bist du?“
„Etwa so in dem Dreh. Ich weiß es nicht genau.“
„Wenn ich mir deine Runen anschaue, dauert es wohl noch so ein Jahr. Genieß die Zeit. Ab da haben die Magiewesen nämlich Angst vor dir.“ Sie sagte es eine Spur bitter und warf dabei Brahn einen scharfen Blick zu. „Sie empfinden dich dann … als anstrengend. Denn selbst, wenn du gerade stillstehst, der Rest deines Körpers bewegt sich die ganze Zeit: Die Kleidung weht, dein Haar flattert, manchmal schwebst du sogar, ohne es zu bemerken – je nach Laune der Luftgeister. Das ist für Außenstehende ziemlich unheimlich.“
Ich fand das ziemlich cool, um ehrlich zu sein.
Der Rest des Gesprächs drehte sich dann um Kräuter, die aufziehenden Sommerstürme – „Bleib bloß in Deckung, Aeri, in diesem Jahr wird es besonders heftig. Da braut sich was zusammen!“ – und um die Hütte. Ich deckte gerade den Tisch, als Liah sich ihren Mantel überzog.
„Wo willst du hin?“, fragte ich erstaunt. „Isst du nicht mit?“
„Nein. Ich hab beim Kochen gegessen. Die Wassergeister haben mich zum Fluss gerufen, sie haben eine Stelle entdeckt, an der ich gut schlafen kann.“
„Aber du kannst hier bei uns schlafen!“
Sie lachte, als hätte ich einen Witz gemacht. „Nein, lass mal. Brahn würde die ganze Nacht kein Auge zutun aus Angst, dass ich die Hütte im Schlaf abfackle.“
Sie gab mir einen winzigen Kuss auf die Wange – der erste seit zehn Jahren, bemerkte ich, aber es würden wohl noch viele erste-Male folgen – und huschte nach draußen. Keelin trabte hinterher.
Brahn hatte bereits damit gerechnet, denn er räumte wie selbstverständlich Liahs Besteck vom Tisch und füllte unsere Teller mit Suppe. Ich starrte den verwaisten Platz an.
„Liah wirkt einsam“, sagte ich dann vorsichtig.
„Liah lebt in ihrer eigenen Welt. Mach dir keine Gedanken darüber.“
Aber die machte ich mir. Denn wenn Liah einsam war, wie sah dann das Leben aus, das
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