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Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Mars
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Kopfhaare, so dass es aussah, als hätte Keelin plötzlich vier Ohren: zwei Wolfsohren und zwei Hasenohren.
    So brachen wir auf. Unser Ziel war der Pilzhang, ein Fußmarsch von etwa zwei Stunden. Es lohnte sich: Dort wuchsen nämlich große und saftige Pilze. Und das Wichtigste: Es mogelten sich keine giftigen dazwischen.
    Keelin und ich waren beide gut drauf. Es war das erste Mal seit drei Tagen, dass wir richtig wandern konnten, dass uns nicht der Sturm nach unten drückte.
    Nach den geplanten zwei Stunden kamen wir auch tatsächlich an. Allerdings hätten wir uns die Wanderung auch sparen können: Die Pilze waren entweder weggeweht worden oder so matschig, dass ich sie nicht mehr mochte. Wir suchten trotzdem noch etwa eine Stunde, fanden aber nur drei halbwegs intakte Exemplare. Ziemlich magere Ausbeute.
    Als ich gerade zum Aufbruch blasen wollte, roch ich es. Jeder Sturm hat seinen eigenen Duft. Die sanften riechen meist nach Blumen, nach Gras. Die heftigeren wie Eis oder Schnee. Die richtig fiesen, die riechen wie nach einem Blitzeinschlag, nach Spannung und Gefahr. Dieser hier roch noch zusätzlich nach Aas.
    Keelin und ich starrten uns an und blickten gleichzeitig hoch zum Himmel. Über uns spannten sich allerdings die riesigen Äste und Zweige der Bäume, es war nicht viel vom Himmel zu sehen. Aber es wurde dunkler. Merklich dunkler.
    „Wo kommt denn dieser Sturm plötzlich her?“, fragte ich Keelin. Der Wolf schnüffelte nervös, hielt die Nase in den Wind. Seine Ohren zuckten, rechts, links, geradeaus. Dann wirkte er durch und durch alarmiert, sprang neben mich und forderte mich auf, sofort auf seinen Rücken zu klettern.
    Das tat er nur, wenn es schnell gehen musste.
    Ich sprang auf seinen Rücken und sah, wie Meeha mich böse von unten her anblitzte. Sie hatte sich als winziges Äffchen verwandelt, das Schwanz, Beinchen und Ärmchen um Keelins Hals gewickelt hatte. Sie zeigte damit deutlich: Halt dich fest, Mädchen, das wird fies!
    „Jaja, entschuldige. Du hattest recht! Warte noch, Keelin! Die Pilze!“ Ich sprang wieder von Keelins Rücken und hetzte zurück zum Hang. Das war der Moment, in dem der Himmel den Regen losließ. Und was für ein Regen! Es war eine wahre Sturzflut.
    Verblüfft blieb ich stehen. Zwei Schritte weit war ich gekommen, dann sah ich gar nichts mehr. Es war, als blickte ich in eine düstere, wabernde Finsternis. Der Waldboden unter meinen Füßen verwandelte sich in zähen, matschigen Morast. Ich schwöre, ich sank innerhalb von zwei Sekunden einige Zentimeter tief ein.
    Und dann war der Sturm bei uns angekommen.
    Er kam so überraschend, dass mich die erste Böe richtiggehend umwarf. Ich klatschte der Länge nach in den Schlamm und spuckte eine Mischung aus durchnässten Blättern, Wasser und Matsch aus. Immerhin hatte Keelin mich durch das Geräusch gefunden. Er stupste mich mit der Nase an, ein schwarzer Schemen im rauschenden Regen.
    Ich packte seinen Nacken und wollte mich hochziehen, doch dann passierte alles gleichzeitig.
     
    Unser schöner Pilzhügel konnte die Wassermassen nicht mehr ertragen: Ein riesiges Stück an der vorderen Seite brach einfach ab und donnerte als Erde-Pilz-Zweiggemisch auf mich zu.
    Zwei Bäume schaukelten sich im Wind dermaßen auf, dass sie gegeneinander krachten.
    Dutzende Zweige konnten sich nicht mehr an ihren Plätzen halten und wirbelten als Geschosse durch die Luft.
    Steine, lose Äste, Laub und Moos erhoben sich wie Geister in die Höhe, gesellten sich zu den Zweigen und vollführten gemeinsam einen irren Tanz aus gefährlichen, spitzen Gegenständen.
    Gleichzeitig verloren insgesamt fünf Bäume auf einer Fläche von etwa zehn Quadratmetern jeden Halt – und krachten zu Boden.
    Kurz: Der Sturm war da.
    Ich wich dem lose herunter kullernden Hang gerade noch nach hinten aus, dann krachte irgendein Ast gegen meinen Kopf und ich ging zu Boden. Klar, dass ich Keelin dabei als Halt verlor.
    Die Welt wurde auf einmal doppelt so laut. Entsetzt sah ich, wie ein riesiger Baum knapp zwei Meter von mir entfernt einfach zu Boden stürzte, der Länge nach niedergestreckt. Die Erde bebte, als der Koloss in den Matsch krachte. Gleichzeitig heulte der Sturm, rüttelte an alles und jedem, zerrte und riss, fetzte und zerbrach, packte und verschob.
    Ich wusste, dass wir hier weg mussten und kam mühsam wieder auf die Beine. Schwankend, aber ich stand fast.
    Leider.
    Ich weiß noch, dass ich ihn aus dem Augenwinkel sah: diesen gigantischen Schatten, diesen

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