Das Band der Magie
deutlich besser. Ich roch ziemlich eklig nach ranzigem Käse und ich hatte einen Geschmack im Mund, den ich lieber nicht näher beschreibe, aber ich fühlte mich befreiter. Das Fieber war deutlich gesunken, ich fror auch nicht mehr so schrecklich.
Neben mir lag Keelin, dicht an mich gekuschelt, tief und fest schlafend. Er war ein Mensch und um ehrlich zu sein, roch er wohl nicht besser als ich. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, er hatte es zwischen meinen Haaren und meinem Hals vergraben. Aber er umarmte mich, umschlang mich wie die Lianen ihre Bäume.
Ein tolles Gefühl.
Ich musste wohl einen Glücks-Laut von mir gegeben haben, denn Keelin wachte auf. Er hob den Kopf aus dem Gewirr meiner Haare und blickte mich an, unsere Gesichter keine zehn Zentimeter voneinander entfernt.
Er hatte ein paar meiner Haarsträhnen im Mund, winzig kleine Äuglein mit Schlafsand an den Rändern und Abdrücke von meinem Kragen im Gesicht. Aber keine Sabberspuren oder sonstige peinliche Sachen.
„Guten Morgen“, sagte ich feierlich. Er schnaufte nur sein Wolf-Schnauben. Ich konnte nicht anders: Ich strich ihm vorsichtig einige Haare aus der Stirn, fuhr ihm mit den Fingern über die Nase und fischte dann meine Strähnen aus seinem Mund.
Da erst schien ihm aufzufallen, dass er ein Mensch war. Er rückte etwas von mir ab und wir sahen einander einen atemlosen Moment an.
Es war das erste Mal, dass ich klar bei mir und er kein Wolf war.
Er hatte wirklich die schönsten Augen dieser Welt. Die gleichen Wolfsaugen in einem unfassbar menschlichen Gesicht.
Ich bekam schon wieder Herzrhythmusstörungen. Diesmal lag es wohl nicht am Blutsverlust.
Keelin wirkte verlegen und auch ziemlich hilflos, als wisse er nicht, wie er mit der Situation umgehen solle. Gleichzeitig sah er aber auch erleichtert aus und, ja: Er blickte mich auch ein bisschen liebevoll an.
Als er seine Hand auf meine Stirn legte, war es das schönste Gefühl auf Erden. Ich verdrängte den Gedanken, dass er eigentlich nur überprüfen wollte, ob ich Fieber hatte. Das wäre … unromantisch gewesen.
Ich kam wieder zur Vernunft, als er mit dem Handrücken meine Wange berührte und sie sogar auf meinen Brustkorb legte, um nach meinem Herzschlag zu fühlen.
„Das Fieber ist gesunken“, sagte er in die konzentrierte Stille hinein. „Ich mach uns trotzdem noch mal diesen Tee!“
Als er jetzt aufstand, hielt ich ihn nicht zurück. Mir war die ganze Klammer-Aktion gestern Abend - oder wann war das gewesen? - peinlich. Das sagte ich dann auch. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erdrosseln oder so.“
Keelin zuckte nur mit den Schultern. Er hatte breite Schultern, schöne Schultern, männliche Schultern … Stopp! Das musste dringend aufhören, diese kurzen Anfälle von Anschmachten.
„Mein Fieberhirn hat mir nur gesagt, dass ich dich verliere, wenn ich dich loslasse.“
„Hmhm“, brummte er.
„Und außerdem wollte ich dich auch gar nicht loslassen. Du weißt ja, ich hab eine Schwäche für Umarmungen.“
Jetzt lächelte Keelin. „Das hab ich auch schon gehört.“
Ich sah ihm dabei zu, wie er den Teekessel wieder über das Feuer hängte. Er trug noch immer diese gammeligen Klamotten: das weiße, zerschlissene Holzfällerhemd, das jetzt eher grau wirkte, und die alte, schlabbrige Hose. Jeder hätte in diesen Sachen hässlich ausgesehen, wie gerade aufgestanden, aber Keelin nicht. Mal abgesehen vom Bart. Der sah furchtbar aus.
„Weißt du eigentlich noch alles von deiner Zeit als Wolf?“, fragte ich ihn, während er herum werkelte.
„Nicht mehr alles, nein. Ich weiß nicht mehr, wie wir uns kennengelernt haben. Meine früheste Erinnerung ist, dass ich neben dir in der Sonne lag und Schmetterlinge um uns herumgeturnt haben.“
Ich brummte unbestimmt. Die kitschigste Situation musste er sich natürlich merken.
Er warf mir einen kurzen Blick zu. „Wie haben wir uns denn kennengelernt?“, fragte er dann möglichst beiläufig. Ich glaube, ihm war peinlich, dass er das nicht mehr wusste.
„Ich hab dich angeschossen. Zwei Mal!“, erzählte ich mit einem gewissen Stolz.
„Du hast mich angeschossen?“ Jetzt wirkte Keelin entsetzt. „Was habe ich getan? Hab ich dich etwa angegriffen?“ Der Gedanke schien ihn so in Panik zu versetzen, dass ich Angst bekam, er würde sich wieder in einen Wolf verwandeln.
Hastig beruhigte ich ihn. „Du hast eigentlich nur vor meinem Haus rumgelungert. Ich dachte, du wolltest mich fressen. Also hab ich versucht, dich zu
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