Das Band der Magie
Ich kam mir vor wie ein Hering in seiner Marinade.
Als ich weiter plappern wollte, legte mir Keelin einen völlig zerschrammten Finger auf den Mund – und drückte mir doch glatt die Augenlider nach unten. Das hieß wohl, dass ich schlafen sollte.
Ich hätte ja wirklich gern protestiert und mich gewehrt, aber um ehrlich zu sein, war ich schrecklich müde. Hatte der Mistkerl mir gerade etwa einen Schlaftrunk verabreicht? Anscheinend schon, denn …
Diesmal wachte ich davon aus, dass mir jemand den Kopf kraulte. Ganz vorsichtig und sanft.
Mir war natürlich klar, wer das war. Um ihn nicht zu verschrecken, stellte ich mich weiter schlafend, konnte aber wohl ein glückliches Lächeln nicht ganz aus dem Gesicht fern halten. Keelin merkte natürlich, dass ich nicht mehr schlief.
„Alles gut bei dir?“, fragte er dicht an meinem Ohr. Ich nickte nur. Das war allerdings ein bisschen gelogen: Mir war furchtbar warm. Ich schwitzte, mir stand die Suppe auf der Stirn und außerdem fiel mir das Atmen irgendwie schwer.
„Ich hab deine Seite neu verbunden. Zu fest?“
Das könnte die Atemnot erklären. „Ein bisschen.“
Ich hätte jetzt erwartet, dass sich Keelin sofort um meine Seite kümmerte, aber stattdessen zog er mich ganz fest an sich ran – und küsste mich völlig unvermittelt erst auf die Nasenspitze und dann auf die Wange.
Sofort flogen meine Augen auf und ich starrte ihn an.
„Das wollte ich schon lange tun“, sagte er leise und es klang unendlich traurig und verloren. Er war mir so nah dabei, dass ich eigentlich nur seine riesigen Augenringe sah.
„Es wird alles wieder gut“, sagte ich in die entstandene Stille hinein. „Wir schaffen das!“
Daraufhin küsste er mich auf den Mundwinkel, nickte und löste sich von mir, um meinen Verband etwas zu lockern.
Die nächsten Tage waren mehr als merkwürdig. Keelin blieb zwar die meiste Zeit menschlich, wirkte aber unruhiger denn je. Er verharrte immer wieder in der Bewegung und lauschte mit leicht schräg gelegtem Kopf.
Was immer er da hörte: Es beunruhigte ihn.
Er drängte mich ständig, dieses ekelige Gebräu zu trinken. Danach schlief ich für eine ziemlich lange Zeit und wenn ich aufwachte, ging es mir immer ein Stückchen besser als zuvor.
Meine Seite heilte wohl gut, sagte zumindest Keelin. Er hatte sich mittlerweile gewaschen. Seine Haare wirkten zwar immer noch strähnig und völlig zerzaust, aber er hatte sich mit einem alten Messer rasiert. Jetzt sah er zwar deutlich jünger aus, dafür aber auch zerkratzter. Seine Motorik ließ wohl noch zu wünschen übrig.
Er hatte sein uraltes Hemd gegen einen von meinen Pullovern getauscht, der mir ohnehin viel zu groß gewesen war. Bei ihm spannte er oben an der Schulter und ich sah immer wieder seinen Bauchnabel aufblitzen: Das Ding war ihm viel zu kurz. Die Schlabberhose trug er aber weiterhin.
Er roch auch deutlich besser. Offenbar hatte er im Fluss gebadet. Aber er sah weiterhin extrem müde aus.
Ich wusste, dass er neben mir wachte, wenn ich schlief. Da er mich aber mit diesem Schlaftrunk vollpumpte, konnte ich herzlich wenig dagegen machen. Ein oder zwei Mal schlug ich vor, dass er sich doch mal einfach neben mich legen sollte. Er ignorierte mich einfach.
Als ich dringend mal pinkeln musste, wurde es ziemlich unangenehm. Ihm schien das nicht viel auszumachen, aber mir dafür umso mehr. Ich konnte mir allein aber leider nicht helfen. Also trug er mich nach draußen und hielt mich, was echt peinlich war.
Weil wir gerade schon beim Schämen waren, machten wir auch gleich beim Bad weiter. Danach hockte ich mit klappernden Zähnen und hochrotem Kopf wieder auf meinem Lager vor dem Feuer, aber ich musste zugeben: Ich fühlte mich jetzt deutlich weniger krank.
Wir sprachen nicht viel miteinander, obwohl ich pausenlos erzählte. Ich hielt mal wieder einen meiner Monologe, während Keelin nur zuhörte. Sobald ich aber verstummte, forderte er mich auf, doch weiterzusprechen.
„Es hilft mir, mich zu orientieren“, sagte er nur. Mehr erklärte er nicht.
Doch dann weckte er mich mitten in der Nacht. Da wusste ich, dass was nicht in Ordnung war.
„Hör zu, Aeri!“, sagte er eindringlich. Er saß neben mir, die langen Beine im Schneidersitz, den Oberkörper gespannt wie eine Bogensehne. Während ich schlief, hatte er wohl meine Hand genommen, denn meine Linke lag in seiner Rechten.
„Etwas ist passiert. Etwas Schlimmes. Ich versteh es noch nicht ganz, aber ich ahne etwas. War jemand
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