Das Band der Magie
Erst als die Tür krachend ins Schloss fiel, blickte er mich wieder an.
„Mein Problem lässt sich nicht mehr länger übersehen“, sagte er ruhig. „Ich nehme an, Brahn hat es dir bereits erzählt?“
Ich nickte. „Er deutete an, dass du erkrankt seiest, sagte aber nicht, woran.“
„Der Hintergrund ist auch kompliziert, tut aber nichts zur Sache. Das Warum ist nicht wichtig, nur dass es eben passiert – und dass es sich nicht aufhalten lässt. Deshalb komme ich auch sofort zum Punkt.
Eremon hat mir erzählt, dass Keelin dich hierhergetragen hat. Als Wolf und als Mar. Und dass er sich auf den Weg nach Alkamir gemacht hat, weil er sich dort Erlösung erhofft. Nur: Keelin hat sich nicht auf den Weg gemacht.“
Ich setzte mich abrupt auf, was mein Körper sofort mit heftigen Schmerzen quittierte. Ich blieb trotzdem sitzen. „Wo ist er?“, fragte ich atemlos.
„Er streunt draußen vor den Toren umher, als Wolf. Sobald jemand versucht, sich ihm zu nähern, knurrt er. Brahn hat er schon mit einem Scheinangriff vertrieben. Ich habe Befehl erteilt, ihn in Ruhe zu lassen. Das Problem ist nur, dass die Situation sehr schwierig für die Shadun ist. Sie sind in heller Aufregung, wenn man es denn so überhaupt beschreiben kann. Weißt du, was ein Prinz der Shadun ist?“
Ich nickte wieder.
„Dann weißt du sicherlich auch, dass Keelin jetzt der Prinz unseres Rudels ist. Viele unserer Shadun laufen zurzeit als Verwandelte durch die Gegend, ganz einfach, weil ihr Prinz auch verwandelt ist. Sie folgen sozusagen seinem Beispiel. Das macht natürlich die restlichen Mar nervös.
Verwandelte sind immer unheimlich – und ziemlich unberechenbar. Kurz: Hier ist die Hölle los. Außerdem verlangt der Rat zu wissen, wer genau du bist, wie du zu Keelin stehst und was du überhaupt hier machst. Sie wollen mit dir sprechen, nur so als Warnung.“ Tristan fuhr sich müde über das Gesicht.
„Ich werde versuchen, sie dir erst mal vom Hals zu halten. Falls sie aber doch hier auftauchen: sag nichts. Schick nach mir. Man kann sich ziemlich schnell um Kopf und Kragen reden, wenn sie schlecht drauf sind.“
Okay. Das klang schon mal nicht so gut.
„Aeri.“ Die Art, wie er meinen Namen sagte, klang noch viel schlimmer. Jetzt kam offenbar das dramatische Ende seiner Erzählung. „Nachdem der Rat Keelin gesehen hat, sind sie der Meinung, dass er unheilbar ist. Er wirkt da draußen auch … wie soll ich sagen? Tierischer als jemals zuvor. Er greift seine eigenen Leute an und versucht ständig, hier hereinzukommen.
Ich hätte ihn ja längst hereingelassen, aber der Rat hat sich dagegen entschieden. Zu gefährlich, sagen sie. Er sei völlig unkontrollierbar. Vielleicht haben sie ja recht. Und ich glaube: Wenn er einmal hier drin ist, wird der Rat ihn auch nicht wieder gehen lassen. Sie würden ihn gefangen nehmen und dann … Ich mag noch nicht einmal daran denken.“
Er machte eine Kunstpause, in die ich flüsterte: „Was kann ich tun?“
„Ich bin mir nicht sicher … mein Plan kann man kaum einen Plan nennen, eher eine grobe Idee. Tatsache ist, dass Keelin im Moment wichtiger ist als jemals zuvor. Eremon bekommt das Rudel nicht mehr unter Kontrolle. Sein Sohn ist jetzt mächtiger als er, das spürt jeder einzelne. Die Shadun folgen immer nur dem Stärksten, was natürlich fatal ist.
Zusätzlich blöd ist, dass Mahedan seine Chance wittert und Stunk gegen Keelin macht. Da er im Rat sitzt, hat er damit auch schon Erfolg. Es kommt jetzt darauf an, was er macht, was Keelin macht … und was du machst.“
Ich sah Tristan fragend an. Der zuckte mit den Schultern. „Es ist sonnenklar, warum Keelin nicht geht: Er wartet auf dich.“
So sonnenklar war mir das nicht gewesen. Eigentlich hatte er sich doch auf den Weg machen wollen – allein. Auf der anderen Seite: Keelin hatte mir bereits klar gemacht, dass er als Wolf anders agierte und dass sein Wolf-Ich völlig vernarrt in mich war. Da waren die tierischen Instinkte wohl stärker gewesen als die Vernunft. Ich seufzte.
Gleichzeitig klopfte es an der Tür. Es klang wichtig. Tristan blickte sich um und fragte deutlich genervt: „Was?“
Die Tür ging sofort auf, Brahns Gesicht erschien. „Ein Wächter war grad da. Keelin versucht, über die Mauer zu springen.“
Tristan fluchte in einer mir fremden Sprache, klang ziemlich unfreundlich, auch ohne dass ich die Wörter verstand. Zu Brahn sagte er: „Ich komme!“ Zu mir sagte er: „Ruh dich aus. Die nächsten Tage werden
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