Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
Vielleicht sind wir einfach zu egoistisch. Wir geben uns solche Mühe, alles richtig zu machen, ihr ein Leben zu bieten, wie wir es hatten, dass wir dabei vielleicht übersehen, was sie wirklich braucht.«
»Und das wäre?«, fragte er.
Peter wirkte befangen, aber sie blieb beim Thema. Die Angst vor der Wahrheit hatte Caroline schon zu Phantasievorstellungen von der Beerdigung ihrer Tochter und ihres Mannes getrieben.
»Savannah weiß jetzt von Tia und Nathan, und sie weiß, dass sie zwei Halbbrüder hat. Wir können nicht so tun, als würden sie alle nicht existieren.«
»Und was bedeutet das für dich, Caro?«
Sie verschränkte ihre Finger. »Es bedeutet, dass wir unsere Angst überwinden müssen. Wir können Tia, Nathan und die beiden Jungs weder aus Savannahs Gedanken noch aus unserem Leben ausschließen. Das ist ein Wunschtraum, der nur unserer eigenen emotionalen Sicherheit dienen würde. So zu tun, als wären sie sich nie begegnet – das ist nicht nur unmöglich, das ist falsch.«
»Ich habe nie gesagt, dass wir lügen sollen. Oder die Wahrheit überkleistern.« Peter stand auf und ging im Zimmer auf und ab. »Aber sollen wir sie deswegen mit ihnen teilen? Was schlägst du denn vor? Dass wir sie am Labor Day zum Grillen einladen? Oder zum Thanksgiving-Essen bei meinen Eltern?«
»Du bist ihr Vater. Ich bin ihre Mutter. Das bestreitet niemand. Hör zu, ich habe keine Antworten parat, ich weiß nur, dass wir keine guten Eltern sein können, wenn wir uns diese Fragen nicht stellen. Unsere Tochter darf nicht gezwungen sein, uns ihre Gedanken und Gefühle zu verheimlichen. Ich möchte nicht, dass sie ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn sie eines Tages den Wunsch verspürt, ihre beiden Brüder kennenzulernen. Und wir müssen uns überlegen, was ›eines Tages‹ bedeutet, bevor sie uns darauf anspricht.«
Caroline ging zu Peter. Sie umschlang ihn mit den Armen und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
»Macht dir das keine Angst?«, fragte Peter. »Hast du keine Angst, du könntest sie verlieren?«
»Ich glaube nicht, dass man jemanden verliert, indem man ihn liebt.« Sie umarmte ihn noch fester. »Wir sind eine Familie. Seit dem Tag, an dem wir Savannah in die Arme genommen haben. Dieses Wunder wird nie aufhören. Vielleicht haben wir ja jetzt noch ein kleines Wunder erlebt, für das wir dankbar sein sollten. Endlich ist die ganze Wahrheit ans Licht gekommen, und wir können eine Familie sein, ohne uns an bequemen Lügen festzuhalten.«
Peter nahm noch einmal die Unterlagen des Immobilienmaklers vom Tisch. Er fuhr mit der Hand über das Foto von dem roten Haus in Jamaica Plain.
»Also gut«, sagte er. »Es kann nicht schaden, wenn ich’s mir mal ansehe. Und es wäre gerade noch rechtzeitig, um sie in der Vorschule anzumelden.«
37. Kapitel – Tia
Schon wieder wachte Tia mit einem Kater auf. Es war kein Besäufnis gewesen. Ihr war nicht schlecht geworden, und sie hatte sich Gott sei Dank nicht übergeben. Nur ein pochender Kopfschmerz erinnerte sie an den vergangenen Abend. Sie nahm die Kaffeetasse, die Bobby ihr auf den Nachttisch gestellt hatte. Seit ihrer Verlobung vor einem Monat hielten sie sich immer häufiger in seiner Wohnung auf. Er hatte sie schon so weit gebracht, dass sie mit ihm Möbel und Teppichboden für die Wohnung aussuchte, die sie beziehen würden, sobald die Anlage fertig war.
Letzte Woche war er mit jeder Menge Katalogen von Inneneinrichtern angekommen, »Crate & Barrel« und »Restoration Hardware«, und auch einer vom Kindermöbelhaus »Pottery Barn Kids« war dabei.
»Diese Leute sind nicht die Einzigen, die deiner Tochter ein luxuriöses Leben bieten können«, hatte er gesagt. »Sie kann mit ihrer leiblichen Mutter zusammenleben und dazu auch noch alles haben, was sie braucht. Du brauchst dich nicht mehr aufzuopfern, Schatz. Hast du übrigens mit dem Anwalt telefoniert?«
Sie hatte sich abgewandt, als er die gefürchtete Frage stellte, was er neuerdings immer häufiger tat, und immer in diesem verflucht beiläufigen Ton. Bobby war regelrecht besessen davon, das Sorgerecht für Savannah zu erstreiten.
Aber es würde nicht dazu kommen. Sie wusste auch genau, warum, aber sie wusste nicht, wie sie es Bobby erklären sollte.
Um Savannah zu kämpfen, wäre das Verkehrteste von allem, was sie seit ihrer ersten Begegnung mit Nathan alles falsch gemacht hatte, aber jedes Mal, wenn sie sich vornahm, mit Bobby darüber zu reden, betrank sie sich.
Am gestrigen Abend hatte sie
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