Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
immer, nichts von Fremden anzunehmen.«
»Das ist sehr klug. Als meine Jungs in dem Alter waren, war ich immer furchtbar nervös, wenn ich sie nicht in Sichtweite hatte«, sagte Juliette. Sie lachte. »Geht mir eigentlich noch immer so.«
Savannah betrachtete die Schachtel. Sie wirkte freudig erregt, auch wenn sie das Geschenk mit derselben Zurückhaltung entgegennahm wie alles, was sie tat.
»Als Mutter ist man im Grunde immer in Sorge, nicht wahr?«, sagte Caroline.
»Allerdings. Seit ich Kinder habe, bringe ich es nicht mehr fertig, das Telefon einfach klingeln zu lassen. Aber Sie müssen sich ja noch zusätzlich mit Ihrer beruflichen Belastung herumschlagen. Eine Diagnose zu stellen, wie lange jemand noch zu leben hat. Dagegen ist das, was ich mache, ein Kinderspiel.« Juliette zeigte auf all die Cremetiegel, Bürsten und Lippenstifte und verdrehte theatralisch die Augen.
»Woher wissen Sie, was ich beruflich mache?«, fragte Caroline entgeistert. Hatte irgendeine Mitarbeiterin Juliette erzählt, wie stark sie gealtert war? Was hatte sie gesagt? Carolines Gedanken rasten, während sie ihr gnadenloses Spiegelbild betrachtete.
»Ach so. Nun, ich suche … das heißt, wir suchen Frauen nach solchen Kriterien aus. Frauen, denen der Beruf nicht viel Zeit lässt, sich um ihr Wohlbefinden zu kümmern. Frauen wie Sie, die den ganzen Tag im Labor stehen und über Krebs bei Kindern forschen. Mit unseren Spezialangeboten wollen wir denen danken, die besonders schwierige Aufgaben zu bewältigen haben. Auf diese Weise versuchen wir, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben, jetzt wo wir so erfolgreich sind.«
»Verstehe.« Caroline nickte. »Ich hatte mich schon gefragt, wie Sie auf mich gekommen waren. Warum haben Sie das in Ihrem Schreiben nicht erwähnt?«
»Wir wollten keine falschen Erwartungen wecken, ohne Sie persönlich zu kennen.« Juliette legte Savannah eine Hand auf die Schulter. »Ich kümmere mich noch kurz um unsere kleine Prinzessin, dann können wir anfangen.«
Juliette führte Savannah zu einem kleinen Ledersofa. »Willst du dein Geschenk nicht auspacken?«, fragte sie und zeigte auf die immer noch ungeöffnete Schachtel. »Ich hoffe, dass dir das Geschenk gefällt, denn ich kenne mich besser aus mit Jungen als mit kleinen Mädchen.«
Savannah fuhr mit einer Hand über das mattschwarze Geschenkpapier und berührte mit den Fingern die violette Schleife. »Kann ich die Schleife behalten? Für meine Puppen?«
»Selbstverständlich.« Caroline hatte das Gefühl, dass es so klang, als wäre sie eine neurotische Mutter, die dem armen Kind keine Schleifen gönnte.
Caroline wartete darauf, dass Juliette aus dem Kinderbetreuungszimmer zurückkam, wohin sie Savannah gebracht hatte, damit sie dort mit ihren Papierpuppen spielen konnte, Puppen der neuen Sorte, die man nicht mehr ausschneiden musste und an denen die Kleider wie auf magische Weise durch Adhäsion haften blieben.
Caroline war beeindruckt von Juliettes Geschick. In der Highschool hatte sie immer fasziniert zugesehen, wie manche Mädchen es fertigbrachten, sich mit ein bisschen Lidschatten und Haarspray in wahre Schönheiten zu verwandeln. Wenn sie selbst versucht hatte, sich zu schminken, wirkte das Resultat stets übertrieben und geschmacklos, und sie hatte sich so schnell wie möglich wieder alles aus dem Gesicht gewischt. Peters Mutter und Schwestern hatten sie überredet, sich zu ihrer Hochzeit ein Kabuki-Make-up machen zu lassen, aber kaum hatten sie sie allein gelassen, hatte sie sich das meiste, was der japanische Künstler ihr ins Gesicht geschmiert hatte, wieder abgeschrubbt. Ihr erster Kuss als verheiratete Frau war genau so gewesen, wie sie es sich gewünscht hatte: eine Berührung von ungeschminkten Lippen.
Die Tür ging auf, und Juliette glitt herein. Sie trug jetzt einen schwarzen Kittel über ihrer Seidenbluse. »Die Kleine scheint ganz zufrieden zu sein. Jemand aus dem Spielzimmer wird Sie holen, falls es Probleme gibt, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen.«
»Ach, da bin ich ganz beruhigt. Savannah fremdelt nicht so leicht.« Klang das merkwürdig? So als ob sie ihre Tochter regelmäßig in die Obhut von Fremden gäbe? »Also, ich meine, sie ist ein ziemlich selbstbewusstes Kind.«
»Das liegt bestimmt daran, dass Sie so eine gute Mutter sind.« Juliette hielt Caroline nacheinander drei Umhänge an. Erst pink, dann schwarz, dann blau. »Zuerst prüfe ich, welche Farbe Ihren Teint am besten zur Geltung bringt, damit
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