Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
Blusen? Die meisten Gäste waren Einheimische. Tia erkannte sie sofort; sie hatten dieselben Arbeitergene wie sie und ihre Freunde in Southie.
Es liefen längst vergessene Songs, und es wurde zu der schwülstig-romantischen Musik getanzt, mit der Tia aufgewachsen war. Anstatt in die Kirche zu gehen, hatte Tias Mutter sonntags morgens Herb Alpert aufgelegt. Und Al Green. Etta James. Frank Sinatra. Musik, die Tia wehmütig an eine Vergangenheit denken ließ, die sie nie gekannt hatte, eine Zeit, die viel glamouröser gewesen war, als Tias Leben je sein würde.
Nathan hatte ein gebügeltes Hemd angehabt. Wenn sie sich an ihn kuschelte, versuchte sie, nicht daran zu denken, wer es ihm gebügelt hatte und wer dafür gesorgt hatte, dass es nach Stärke und gesundem Leben duftete.
Nachdem sie ihre Getränke bestellt hatten, war Nathan aufgestanden und hatte die Hand ausgestreckt. »Tanzt du mit mir?«, hatte er gefragt, als fürchtete er, sie könnte ihm einen Korb geben, als gehörten ihm nicht ihre Tänze, ihre Gedanken, ihre Zukunft.
Nathan hatte sie beim Tanzen eng an sich gedrückt. Sie roch sein Shampoo und sein Aftershave, Düfte, die sie liebte, weil sie zu ihm gehörten, und die sie hasste, weil sie wusste, dass Juliette sie ausgesucht hatte.
Sie war so besessen gewesen von Nathan, dass sie all ihre Freunde und Hobbys aufgegeben hatte. Für die Außenwelt hatte es den Anschein, als würde Tia sich für die alten Leute in dem Seniorenheim aufopfern, in dem sie damals arbeitete, als wäre das Ausarbeiten von Beschäftigungsprogrammen für ihre Schützlinge ihr einziger Daseinszweck.
Tia schmiegte ihre Wange an Nathans Arm. Er hielt sie fest. Gerade lief »Moon River«, und als Nächstes folgte »The Way You Look Tonight« von Frank Sinatra. Nathan zog sie noch fester an sich.
»Ich wünschte, wir könnten immer so zusammen sein«, hatte sie in seinen Ärmel geflüstert.
»Ich weiß«, hatte Nathan gemurmelt. »Ich auch.«
Natürlich hatte er gelogen. Wenn er mit ihr hätte zusammenbleiben wollen, dann wäre er jetzt bei ihr. Dann hätte er auf ihren Brief geantwortet. Er hätte die Fotos von Honor betrachtet und sich darin wiedererkannt.
Es klingelte.
Tia betätigte den Türdrücker, um Bobby einzulassen. Während sie darauf wartete, dass er nach oben kam, trank sie ihr Weinglas aus und stellte es so, wie es war, zurück in den Schrank, damit er weder ein benutztes noch ein frisch gespültes Glas sah. Dann spülte sie sich hastig den Mund mit einem Schluck Mundwasser aus, den sie direkt aus der Flasche nahm.
Bobbys vorsichtiges Klopfen nervte Tia. Sie hatte die Einladung akzeptiert, also warum tat er jetzt so, als könnte sie vergessen haben, dass er sie abholen kam? Nathan hatte Tias weiche Seite zum Vorschein gebracht, aber Bobby, so fürchtete sie, könnte genau das Gegenteil bewirken.
Bobby trug einen Anzug, Tia Jeans und eine schlichte Seidenbluse. An seiner Kleidung konnte sie ablesen, dass ihm diese Verabredung viel mehr bedeutete als ihr. Es irritierte Tia, dass es so offensichtlich war.
»Sorry.« Tia schaute an sich hinunter. »Ich wusste nicht, dass du so fein ausgehen wolltest.«
»Nein, nein, es ist meine Schuld. Ich habe dir nicht Bescheid gesagt.« Er errötete. Der arme blonde Bobby mit seiner verräterischen Haut.
»Ich zieh mich schnell um. Dauert nur eine Minute.«
»Nein, nein«, entgegnete Bobby. »Du siehst großartig aus. Ich lege einfach das Jackett ab.« Er machte Anstalten, sich das Jackett auszuziehen und die Krawatte zu lockern.
Tia sah es in ihm arbeiten: Die Pläne ändern? Vielleicht in ein weniger vornehmes Restaurant gehen? Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lass. Gib mir fünf Minuten.«
Tia eilte ins Schlafzimmer und riss den Kleiderschrank auf. Einen Augenblick lang befühlte sie das weiße Zeugungsnachtkleid, das sie ganz hinten in den Schrank verbannt hatte – so schön und so zart, aber untragbar. Es roch nach unerwiderter Liebe. Sie entschied sich für ein schwarzes Etuikleid und peppte es mit dem einzigen echten Schmuck auf, den ihre Mutter besessen hatte und der jetzt Tia gehörte: goldene Liebesknoten-Ohrringe, die ihr Vater ihrer Mutter geschenkt hatte, und ein filigranes Medaillon, das das verblasste Foto von ihren Großeltern enthielt.
Sie saßen auf ledergepolsterten Stühlen. Das Oak Room Restaurant im Copley-Plaza-Hotel war ein Ort für elegante Feste: Verlobungen, Filmdeals, Traumjobverhandlungen. Bobby machte seine Absichten mehr als
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