Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
sagte sie hastig. »Wirklich nicht.«
»Natürlich, selbstverständlich.« Er legte seine Hand über ihre. Sie verscheuchte die Erinnerung an ihre grässlichen Worte. Seine Haut war rau. Wahrscheinlich hatte er den ganzen Winter über Schnee geschippt und Eiszapfen abgeschlagen. Die Haut fühlte sich kratzig und doch gut an. Überhaupt nicht wie die Pflanze aus einem Treibhaus.
Caroline kam zu Hause an. Sie bezahlte den Taxifahrer. Sie öffnete die Haustür ganz leise, weil sie sich trotz ihrer viertägigen Abwesenheit immer noch nach Ruhe sehnte.
Es war sieben Uhr am Abend. Vielleicht war Peter ja mit Savannah essen gegangen. Nur sie beide, die den Trubel bei McDonald’s genossen und so taten, als wären sie frei, frei, frei, bis Mommy wiederkam und ihnen die Leviten las. Peter gefiel es, diese Spiele zu spielen, Caroline die Rolle der fürsorglichen, aber strengen Mommy zuzuschieben, während er den lustigen Dad gab, der sich mit Savannah verbündete in einer gespielten häuslichen Rebellion.
Abgesehen davon, dass es genau das war. Ein Spiel.
Wo war dieser Peter hergekommen, dieser Mann, der Caroline zu jemand anderem modellieren wollte? Er hatte sich in die stille Wissenschaftlerin und Ärztin verliebt und behauptet, er liebe die Aura von Sicherheit und Ruhe, die sie umgab. Wieso versuchte er jetzt, aus ihr eine gut gelaunte, chaosgestählte Plätzchenbäckerin zu machen?
Was die Rolle betraf, die Peter für Savannah vorgesehen hatte – das Kind war in etwa so rebellisch wie ein Buchhalter. Sie beobachtete alles, was Caroline tat, als würde sie sie anhand einer geheimen Messlatte beurteilen, deren Maßeinheiten nur sie allein kannte.
Das Garagentor war natürlich ordentlich heruntergelassen. Peter mochte es nicht, wenn es offen stand, während Caroline das Quietschen des Tors beim Öffnen und Schließen nicht ausstehen konnte. Hinzu kam ihre irrationale Angst, es könnte auf sie herunterkrachen.
Sie fand die Garage entsetzlich. Sie war ebenso überdimensioniert wie das Haus selbst – ein viel zu groß geratenes Miniatur-Schloss für eine dreiköpfige Familie. Dieser augenfällige Überfluss, in dem Peter schwelgte, war Caroline unangenehm – vor allem jetzt, wo eine Menge Leute unter der schlechten Wirtschaftslage zu leiden hatten. Peter erinnerte Caroline nur zu gern daran, wie clever er gewesen war, als er riskante Aktien abgestoßen und das Geld im richtigen Moment in festverzinslichen Wertpapieren angelegt hatte.
Ihre Eltern hatten sie mit Wohlstand umgeben ohne das peinliche Gehabe, das Peter brauchte. Und das alles nur, weil er offensichtlich das Stigma seiner Herkunft überwinden wollte. In Carolines Augen war seine Herkunft absolut kein Stigma. Aber wenn sie es ihm sagte, lachte er sie aus und sagte: »Nur die Reichen wissen die Vorzüge der Armut zu schätzen.«
Dabei war Peter gar nicht in Armut aufgewachsen. Sein Vater hatte einen Fuhrbetrieb für den Transport von Lebensmitteln aufgebaut. Er hatte mit einem Lastwagen angefangen und besaß schließlich drei. »Das reinste Logistik-Imperium«, spottete Peter immer mit einem gequälten Lächeln.
Peters Mutter hatte in Heimarbeit genäht, was jedoch nicht hieß, dass sie in Lumpen gekleidet in einem kalten Zimmer über einen schlecht beleuchteten Nähtisch gebeugt dagesessen hatte. Sie war die erste Adresse für alle gewesen, die etwas Besseres wünschten, die Kopie eines Designerstücks oder das perfekte Hochzeitskleid.
Als Caroline Peters Familie kennenlernte, war sie begeistert gewesen. Eine lärmende, immer zu Scherzen aufgelegte Sippschaft, ganz anders als Carolines Eltern und Schwestern, die auf stumm geschaltet waren, außer wenn sie auf dem Rasen hinter ihrem Haus sportliche Wettkämpfe ausfochten – an denen Caroline jedoch nie teilnahm.
Caroline steckte den Schlüssel ins Schloss und drückte die Tür vorsichtig auf. Es duftete nach Schokolade. Für Peters Familie war Essen der höchste Genuss im Leben, und alle langten immer reichlich zu. In Carolines Familie waren die Portionen hingegen immer so bemessen, als wären die Vorräte begrenzt: Hier hast du einen Löffel Erbsen und eine Hühnerbrust. Dazu eine halbe Backkartoffel. Soße gab es nur in Restaurants, Butter nur in winzigen Portionen und Kuchen nur zu Geburtstagen oder bei einer Hochzeit.
Sie hörte Savannah singen und fand ihre Tochter und ihren Mann in der Küche, wo sie gerade dabei waren, Brownies mit Zuckerguss zu bestreichen. Das war wirklich des Guten zu viel.
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