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Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)

Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)

Titel: Das Band der Wünsche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Susan Meyers
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herausstellte. Jonah – Dr. Jonah Weber – leitete eine Privatpraxis in Vermont, dem »nordöstlichen Königreich«.
    »Hört sich großartig an, oder?«, sagte er. »Das nordöstliche Königreich.«
    »Und, ist es großartig?« Caroline ließ sich noch tiefer in den plüschigen Sessel sinken, eingehüllt in eine angenehme Stimmung.
    Sie war dem Vortrag entkommen und befand sich dreitausend Meilen weg von dem goldenen Käfig, in den sie jeden Abend zurückkehrte.
    »Es ist schön in seinen Extremen. Aber auch grausam.«
    »Inwiefern?«, fragte sie.
    »Warum schön? Oder warum grausam?«
    »Beides«, antwortete sie. »Erzählen Sie mir von beidem.«
    »Die Landschaft hat etwas Mystisches. Bizarre Bergformationen und dann wieder sanft rollende Hügel. Mein Haus bietet einen Rundumblick. Das ist eine Seite. Andererseits wimmelt es in der Stadt von armen Teufeln, wie man es sich kaum vorstellen kann.«
    »Ist Ihre Praxis klein?«
    »Eigentlich ist sie zu groß. Ich decke ein riesiges Gebiet ab. Ich könnte Hilfe brauchen. Nicht viele Leute wollen in einer Gegend wohnen, wo die Schlammsaison den Sommer überdauert. Ich bin kein Kinderarzt, sondern Allgemeinmediziner. Wo ich lebe, heißt das, dass man wortwörtlich für alles zuständig ist.«
    »Sind Sie in Vermont aufgewachsen?«
    »Ja. Aber ich bin eine Zeit lang geflüchtet.« Offenbar hatte er angenehme Erinnerungen daran. »Ich habe hier in San Diego mein Praxisjahr absolviert. Und danach bin ich noch eine Weile geblieben. Mir gefiel es, in einer Gegend zu sein, wo ich nicht zehn flanellgefütterte Jeans und fünf Paar Stiefel brauchte.«
    »Und warum sind Sie wieder zurückgegangen?«
    »Weiß ich auch nicht so genau.« Er öffnete die Hände, als wollte er ihr etwas anbieten. »Ich bin vielleicht verrückt.«
    »Verrückt wirken Sie nicht gerade.«
    »Ich glaube, dass manche Menschen, die unter so speziellen Bedingungen aufgewachsen sind – wie eine Treibhauspflanze oder, wie in meinem Fall, ein Sumpfgras –, eine bestimmte Umgebung brauchen, um zu gedeihen. Selbst wenn es einem nicht gefällt.«
    Caroline dachte daran, wie gern sie als Kind allein gewesen war. Stundenlang auf ihrem ordentlich gemachten Bett zu liegen, zu lesen, verwinkelte Häuser zu zeichnen in der Zeit, als sie sich für Architektur interessiert hatte, der Musik von Jascha Heifetz zu lauschen während der Jahre, in denen sie Geige gespielt hatte. Sie hatte sich rundum wohlgefühlt.
    »Sie brauchen also Schnee und Matsch, um zu gedeihen?«, fragte sie.
    »Vermutlich. Ich habe schon lange nicht mehr darüber nachgedacht. Ich glaube, ich bin immer da zufrieden, wo ich gerade bin.«
    Caroline riskierte einen Blick. Der Ehering an Jonahs Finger zerstreute ihre Befürchtungen. Sie befand sich auf sicherem Terrain, sie flirteten ja nicht einmal. Sie waren einfach nur Kollegen, die ihre Fortbildung schwänzten. Fremde, die unverbindlich aus ihrem Leben plauderten.
    Jonah faltete Servietten zu perfekten Quadraten, dann zu Dreiecken. »Und wie sieht’s bei Ihnen aus? Was brauchen Sie zum Gedeihen?«
    Das Einzige, was Caroline dazu einfiel, waren Dinge, die ihr das Leben nicht erleichterten, wie zum Beispiel Savannahs unersättliches Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Peters Wunsch nach der perfekten Familie.
    »Frieden. Ich sehne mich nach Frieden«, antwortete sie.
    »Mehr nicht?«
    »Das ist schon eine ganze Menge. Ohne Frieden macht mich alles andere nur fertig.«
    »Wie passt Ihre Arbeit da rein?«
    Caroline verschränkte ihre langen Finger. »Die Arbeit ist nie ein Problem. Selbst wenn es mal hektisch zugeht, kann ich mich auf meinen inneren Frieden verlassen. Ich liebe meine Arbeit. Solange ich nur meinen Anteil an Ruhe bekomme.«
    »Und wenn Sie den nicht bekommen?«, fragte Jonah.
    Darauf wollte sie nicht antworten und ließ es bleiben. Stattdessen schenkte sie ihm ein selbstironisches Lächeln, das er interpretieren konnte, wie er wollte.
    Das war das Schöne an einer Unterhaltung mit einem Fremden. Der Einsatz war niedrig.
    »Was ist mit Ihrem Mann? Haben Sie Kinder?«
    Er hatte ihren Ring bemerkt.
    »Mein Mann ist gestorben.«
    Wie bitte?
    »Oh, das tut mir leid! Kürzlich?«
    »Vor drei Jahren«, sagte sie. »Mein Mann und meine Tochter. Bei einem Autounfall.«
    Nacktes Entsetzen spiegelte sich in seinem Gesicht. Ihr Magen verkrampfte sich. War sie denn verrückt geworden? Wie sollte sie die Worte zurücknehmen, ohne dass er gleich das Weite suchte?
    »Ich möchte nicht darüber reden«,

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