Das Band spricht Bände
meiner Schwester.«
»Aber da sie nun tot ist«,
sagte ich sanft, »gibt es doch wohl keinen Hinderungsgrund mehr, daß du die
Scheidung nicht einreichst?«
»Ich brauche nur eins: den Mut,
es zu versuchen. Du kennst Stirling ja nicht so gut wie ich ihn kenne, Danny.
Seine große Leidenschaft ist es, das Leben anderer Menschen zu beherrschen, sie
zu seinen Sklaven zu machen. Bis jetzt hatte er den Daumen auf zwei Sklavinnen.
Und dann plötzlich, gestern nacht, hat er die eine für immer verloren. Glaubst
du denn, er läßt die Übriggebliebene jemals freiwillig laufen, Danny?«
6
Charles MacKenzie war ein Bär
von einem Kerl, Ende fünfzig, mit solch einem Bullenbeißergesicht, wie es sie
wohl auch dann noch geben wird, wenn die schönen Menschen alle ausgestorben
sind. Er schien der rechte Mann an der Spitze einer Baufirma. Sonne und Wind
hatten tiefe Furchen in seine Haut gegerbt, hatten sie ein für allemal
mahagonibraun gefärbt und deutliche Krähenfüße an den äußeren Winkeln der
scharfen grauen Augen hinterlassen. Er saß hinter einem Schreibtisch, der noch
mitgenommener aussah als sein Gesicht, einen Balken von Zigarre in den Stummelfingern,
und er nahm sich Zeit, mich gründlich zu studieren, ehe er das Wort ergriff.
»Boyd?« Die Stimme klang
barsch. »Ein Privatdetektiv aus New York, der den Mord an meiner geschiedenen
Frau untersucht?«
»Wenn’s recht ist, Mr.
MacKenzie«, sagte ich.
»Ich glaube, irgend etwas an
Ihrer Stimme kam mir gleich bekannt vor«, grinste er. »Gestern am späten
Nachmittag waren Sie ein Privatdetektiv namens Milne und hofften, ich werde
Ihnen einen Hinweis geben, stimmt’s?«
»Stimmt«, gab ich zu. »Da hatte
ich gerade erst von Ihnen gehört und wollte eigentlich nur nachprüfen, ob es
Sie wirklich gibt, oder ob Sie ein Phantasieprodukt sind.«
»Sind Sie jetzt zufrieden?«
bellte er.
»Sie sind wirklich echt«,
gestand ich ein, »und Sie könnten mir viel helfen — wenn Sie wollen.«
»Das müssen Sie mir erst mal
näher erklären, junger Mann«, knurrte er. »Und dann will ich’s mir überlegen.«
Ich beschränkte mich auf das
Wesentliche. Wayland hatte mich beauftragt, weil er fürchtete, jemand wolle ihn
ermorden. Einer von fünf Menschen: seine Frau, Freundin, Teilhaber, Stanger
oder Thatcher. Dann war Alysia vorgestern abend ermordet worden, und Shari
Wayland war nach Santo Bahia geflogen, weil sie Angst hatte, die nächste auf
der Liste zu sein. Gestern abend hatte Wayland mitteilen lassen, mir sei
gekündigt, und seine Frau hatte mich daraufhin engagiert, den Mörder ihrer
Schwester ausfindig zu machen. Sie hatte mir fast alles über Alysia erzählt,
den wahren Grund ihrer Scheidung und die Sache mit ihrem Geisteszustand. Ich
wußte, daß Wayland gegen Stangers Wunsch als Berater für Strategie bestellt
worden war, und daß Thatcher dies arrangiert hatte. Ich wußte ferner, daß er,
MacKenzie, die meisten Bauarbeiten für die Firma ausgeführt hatte und ihr
Hauptgläubiger war.
Als ich mit Reden fertig war,
paffte er ein Weilchen an seiner Zigarre, und die gerissenen grauen Augen wogen
alles ab, verrieten jedoch nichts.
»Sie wissen ebensoviel wie
ich«, sagte er schließlich. »Ich will Ihnen helfen, wenn ich kann, und zwar
einzig und allein aus dem Grund, weil ich dagegen bin, daß ein Mörder
ungeschoren davonkommt. Aber ich bezweifle, daß ich noch etwas weiß, das Sie
nicht schon wissen.«
»Soviel ich gehört habe«, sagte
ich, »ging bei dem Inselprojekt von Anfang an so ziemlich alles schief. Man
stieß auf Fels, wo man es nicht erwartete. Die Behörden zogen ihre Zusage wegen
der einen Brücke zurück und bestanden plötzlich auf drei. Stangers Firma ging
das Geld aus, als das Vorhaben erst halb fertig war.«
»Man hat Sie richtig informiert.«
Seine Stimme war wieder barsch. »Ich habe persönlich zwei früher zuverlässige
Leute entlassen, die den Fels bei ihren Untersuchungen hätten bemerken müssen,
ihn aus unerfindlichen Gründen jedoch übersahen. Jemand hat im Rathaus Fäden
und Intrigen gesponnen und dafür gesorgt, daß mit einemmal drei Brücken
verlangt wurden. Ich glaube, das einzige auf natürlichen Ursachen beruhende
Pech, das wir hatten, war der ungewöhnlich lang anhaltende Regen zur falschen
Jahreszeit.«
»Wie kam es, daß Stanger bei
Ihnen so tief in die Kreide geriet?« fragte ich.
»Es war das größte hiesige
Bauvorhaben, das je geplant wurde, und mir gehört hier die größte Baufirma,
also war die
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