Das Banner des Roten Adlers
abrupt inne.
Hinter dem Prinzen tauchte der quirlige, nun ernst blickende Detektiv unter seinem
Strohhut auf. Als er in die Tür trat, machte Becky eine erstaunliche Beobachtung: Jim
Taylor und Adelaide tauschten Blicke aus, die vor Spannung zu knistern schienen.
Der Augenblick ging vorüber.
Der Prinz schien benommen - auf jeden Fall war ihm entgangen, was Becky gesehen
hatte - und fuhr mit Verzögerung fort: »Meine Liebe, entschuldige, dass ich deine
Deutschstunde unterbreche,
aber ich
muss
Miss
Winter Ritten,
uns
jetzt
zu
verlassen. Wie Sie selbst gesehen haben, Miss Winter, trachtet man mir nach dem
Leben. Die Gefahr scheint für den Augenblick gebannt, aber ich möchte Ihnen
dergleichen nicht weiter zumuten. Dieser Herr hier wird Sie nach Hause geleiten.«
Adelaide schaltete sich ein. »Nein, Becky - bleib noch einen Augenblick.« Und zum
Prinzen gewandt: »Sie kommt gleich hinunter, Rudi.« Sie drückte die Tür zu und
sperrte die Männer aus. Dann flüsterte sie erregt: »Wie heißt er noch gleich. Der Typ
mit dem Strohhut?«
»Ich habe dir doch seine Karte gegeben - oh, entschuldige, du kannst ja nicht lesen«,
sagte Becky.
Sie holte die Karte von
dem
kleinen
Bambustisch.
»Jim
Taylor,
Privatdetektiv, c/o Garland & Lockhart, Fotografen, Or-chard House, Twickenham ...
Was ist denn los?« Ihre Schülerin hatte eine Hand auf die Brust gelegt und war blass
geworden. Die Pupillen ihrer großen schwarzen Augen waren geweitet. Sie nahm die
Karte aus Be-ckys Hand und sank auf einen Stuhl. Allmählich bekamen ihre Wangen
wieder Farbe.
»Du gehst jetzt besser«, brachte sie heiser hervor. »Er wartet sicherlich auf dich.
Aber komm wieder, hörst du?«
»Versprochen«, sagte Becky.
Nachdenklich verließ sie das Zimmer und ging nach unten, wo sie den Prinzen im
Vestibül stehen sah. Sie zwang sich, keinen Knicks zu machen, als er ihr zunickte,
und ging dann hinaus in den Garten, wo Jim Taylor, Privatdetektiv, auf sie wartete.
Zwei Mrs Goldberg
Als Becky die Gairtenpforte erreichte, kam der rotge-sichtige Metzgerjünge gerade
herangeschnauft und blieb bei ihrem Anblick verblüfft stehen. »Oh, du bist das!«,
sagte er. »Haste die Explosion gesehen? Und den Toten? Wie dem die Gedärme aus
dem Bauch gehangen haben.« »Du bist ekelhaft.«
»Wie wär's mit 'ner Zigarette? Hinter den Büschen eine qualmen, wie beim ersten
Mal. Na?« Sie wandte sich ab. Als jetzt Jim Taylor hinzukam, richtete sich die
Aufmerksamkeit des Metzgerjungen auf ihn.
»Ich hab einen Polizisten aufgetrieben«, meldete er. »Einen von der dicken Sorte.
Dürfte in den nächsten Minuten hier eintreffen. Fünf Shilling, sagten Sie.« Jim Taylor
gab ihm ein paar Münzen und ging mit Becky weiter.
»Sollten Sie nicht auf die Polizei warten?«, fragte Becky.
»Herr Strauss wird denen alles Nötige erzählen. Er hat meine Karte; sie können mich
jederzeit finden, wenn sie mich brauchen. Außerdem habe ich die Bombenleger ja
nicht wirklich gesehen; das hat keiner. Die haben sicherlich eine Höllenmaschine
benutzt.« »Eine was?«
»Eine Bombe mit Zeitzünder, um die Explosion auszulösen. Heutzutage braucht man
Bomben nicht mehr zu werfen, das ist passe. Wohin müssen Sie denn, Miss Winter?
Kann ich Sie begleiten?«
Mittlerweile waren sie schon die halbe Church Road hinuntergegangen, als Becky
merkte, dass sie heillos zitterte. Sie wusste nicht, ob sie ihrem Begleiter vertrauen
konnte oder nicht; immerhin, der Prinz hatte offenbar Vertrauen in ihn und ...« Ihr
schwindelte und er stützte sie. »Hier, setzen Sie sich auf die Bank. Senken Sie den
Kopf, so. Sie haben einen Schock, das ist ganz natürlich. In ein paar Minuten geht es
Ihnen wieder besser.« »Danke«, murmelte Becky. »Ich komme mir so albern vor.«
»So sehen Sie aber überhaupt nicht aus. Machen Sie sich jetzt keine Sorgen.« »Der
arme Kutscher ...«
Immer mehr Leute versammelten sich weiter hinten auf der Straße und vor dem
Haus. Jemand schnitt die Zügel durch, um das tote Pferd aus dem Geschirr frei zu
bekommen. Ein Polizist schnaufte schwerfällig von der anderen Seite herauf.
»Sind Sie wirklich Detektiv?«, fragte Becky. »Ja. Unter anderem. Ich suche diese
junge Frau schon seit ... oh, zehn Jahren, seit wir Kinder waren. Ich dachte, ich hätte
ihre Spur für immer verloren. Aber dann, vor einem Monat, begegnete ich einem
Gesicht, das ihr ähnelte, und ich folgte ihr bis zu diesem Haus. Ich wollte sie schon
mit meinem Besuch überraschen, bis ich mir über ihre Situation
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