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Das Banner des Roten Adlers

Das Banner des Roten Adlers

Titel: Das Banner des Roten Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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klar wurde, und da
hielt ich es für besser, diskret vorzugehen. Sie hieß Adelaide ...« »So heißt sie immer
noch:«
»Warum ist sie dann mit einem Prinzen eng befreundet?«
     
Becky schaute ihn durchdringend an. »Woher wissen Sie, dass er ein Prinz ist?«
    »Das
ist
leicht
herauszufinden.
Dienstbotentratsch,
und
Wappen
kann
man
nachschlagen. Ich habe vor ein, zwei Wochen seine Bekanntschaft gemacht, deshalb
wusste er heute Morgen sofort, wer ich bin. Ich wollte die Gewissheit, dass er
Adelaide gut behandelt. Dieser grüne Junge ist bis über beide Ohren in sie verliebt.
Ich mache mir Sorgen, denn wenn er politisch in der Klemme sitzt, möchte ich nicht,
dass er sie mit hineinzieht.« »Sie steckt schon drin«, sagte Becky. »Sie ist mit ihm
verheiratet.« »Wie?«
»Sie hat
mir
die Heiratsurkunde gezeigt
...
Dass
ich
Ihnen
das
verrate, spielt
hoffentlich keine Rolle, da Sie sie ja kennen«, fügte Becky zweifelnd hinzu.
    Seine Augen funkelten vor Zorn. »Dieser verantwortungslose Schwachkopf braucht
einen Aufpasser. Wie konnte er sie nur in eine solche Lage bringen ... Selbst für ein
Mädchen, das fürstliches Blut in den Adern hat, wäre die Situation schwierig. Was
erwartet er bloß von ihr?«
    »Er hat sie nicht dazu gezwungen, das war ihr freier Entschluss. Übrigens weiß sie,
wer Sie sind.« Er schaute sie durchdringend an. Sie erzählte ihm, wie Adelaide
reagiert hatte, als sie den Namen auf seiner Visitenkarte erfuhr, und er nickte.
»Dann wird sie auch wissen, wer Lockhart und Garland sind«, sagte er. »Kein
Zweifel, sie ist es. Nach all den Jahren ... Ich bin baff.« »Wer sind denn Lockhart und
Garland?« Er schaute die Straße hinauf, sah auf seine Taschenuhr, ließ den Deckel
wieder zuschnappen und erhob sich von der Bank. »Wissen Sie was, Miss Winter. Ich
meine, wir sollten in Zukunft zusammenarbeiten. Wenn Sie in den nächsten ein,
zwei Stunden nichts weiter vorhaben, kann ich Sie nach Twickenham mitnehmen
und Sie einer guten alten Freundin vorstellen. Bei der Gelegenheit kann ich Ihnen
die Geschichte erzählen.« Becky war bei der ganzen Angelegenheit durchaus nicht
wohl. Aber er machte einen ehrlichen Eindruck und die Sache interessierte sie nun
einmal. Und je mehr sie darüber erfuhr, desto mehr konnte sie Adelaide helfen.
»Also gut«, sagte sie schließlich.
    Im Zug erzählte er ihr, wie er vor einigen Jahren, damals noch als Botenjunge im
Londoner Bankenviertel, einer jungen Frau namens Sally Lockhart geholfen hatte,
das Geheimnis um den gewaltsamen Tod ihres Vaters zu lüften. Es war eine düstere
Geschichte, bei der es um chinesische Geheimbünde, Opium und einen kostbaren
Rubin
ging.
Adelaide war
damals
das
Hausmädchen,
eher
die Sklavin,
einer
boshaften alten Frau gewesen, Mrs Holland mit Namen, die eine Rolle in Sally
Lockharts Geschichte gespielt hatte. Nachdem das Rätsel seine Lösung und die
Schuldigen ihre Strafe gefunden hatten, war Adelaide verschwunden. Man hatte
schon befürchtet, sie sei tot, bis Jim Taylor vor einem Monat ihre Spur wieder fand.
Sie führte ihn in die Church Road 43, wo er Bekanntschaft mit dem Prinzen gemacht
hatte.
    »Ist Miss Lockhart die Freundin, mit der Sie mich bekannt machen wollen?« »Ja. Sie
heißt jetzt Mrs Goldberg.« Sally - so nannte Mr Taylor sie - war offenbar eine
Meisterin im Pistolenschießen. Sie arbeitete als Finanzberaterin und war mit dem
politischen Journalisten Daniel Goldberg verheiratet. Ihr Mann hatte dabei geholfen,
ihre kleine Tochter zu retten, als diese vor einem Jahr entführt worden war.
    Er berichtete das so nüchtern und unaufgeregt, als ob Kindesentführungen und
Opiumhöhlen zu seinem Alltagsleben gehörten. Das beeindruckte Becky mehr, als
wenn er versucht hätte, die Ereignisse aufzubauschen. Dann ging ihr erst auf, was
Mr Taylor über das Kind gesagt hatte.
»Sagten Sie nicht, dass Mrs Goldberg ein Kind hat. Noch vor ihrer, äh, Heirat?«
    »Ja. So etwas kommt vor. Die kleine Harriet ist Fred Garlands Tochter. Er starb bei
einem Brand. Wir waren zusammen in der Nacht, als Adelaide verschwand. Sie wird
sich sicherlich an ihn erinnern.« Das setzte der ganzen Erzählung die Krone auf:
Becky war fasziniert. Als unverheiratete Frau brauchte man einen starken Charakter,
wenn man mit einem unehelichen Kind respektiert werden wollte. Gewiss, einen
Liebhaber brauchte man auch, aber daran herrschte kein Mangel, wie Becky von
ihrem Metzgerjungen wusste. Sie war gespannt darauf, diese Pistolen schwingende
Lady kennen zu

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